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Weekend’s Read: Edge auf Chromium – Die Pro-Sicht

Seit Microsoft vor einigen Monaten die Entwicklung der Hauseigenen Browser-Engine Edge-HTML zugunsten des Chromium-Projektes eingestellt hat, gibt es sehr viele positive Stimmen und zuletzt konnte der neue Browser mit dem Chromium-Triebwerk sogar beim Marktanteil zulegen und den ebenfalls beliebten Browser Firefox aus dem Hause Mozilla auf Platz 3 verdrängen. Dennoch gibt es viele Stimmen, die den neuen Edge lieber auf der Gecko-Engine des Firefox-Browsers gesehen hätten. Immer wieder hört man, dass Google eh schon zu viel Marktmacht besitzt und dass die Gecko-Engine viel besser sei. Heute und nächste Woche möchten ich und mein Kollege Tomás Freres beide Seiten der Medaille unter die Lupe nehmen und schauen was wirklich dran ist.

Chromium oder Gecko-Engine?

Egal, ob Chromium oder Gecko (Firefox), letztendlich ist es hier reine Geschmackssache. Rein technisch tun sich beide Browser-Engines kaum etwas. Mozilla hängt mit der Umsetzung der W3C-Standards etwas hinterher, doch bis die neuen Standards auf Websites wirklich eingesetzt werden, vergeht immer etwas Zeit. Auch wenn die Chromium-Engine gegenüber Mozillas Hauseigener Browserengine etwas schneller bei der Umsetzung von Scripts ist, spielt das in der heutigen Zeit kaum noch eine Rolle. Nahezu jedes System, egal ob Desktop, Tablet oder Smartphone, bietet genügend Leistung zum schnellen Rendern einer Website. Der größte Flaschenhals befindet sich nicht auf dem heimischen Rechner in Form eines Browsers, sondern bei der Netzwerkanbindung.

Ich persönlich bevorzuge den Edge, wie er sich im neuen Chromium-Gewand zeigt. Als Entwickler bevorzuge ich besonders die Chromium-Entwicklertools (F12). Mit den Firefox-Entwicklertools konnte ich mich irgendwie nie richtig anfreunden. Doch auch das ist Geschmackssache, besonders, da die Entwicklertools beider Browser-Plattformen einen ähnlichen Leistungsumfang bieten.

Leistung zwischen Chromium und Gecko

Trotz meiner Argumentation, dass die Geschwindigkeit eines Browsers heute nicht mehr so wichtig ist, wie noch vor einigen Jahren, konnte ich mich dennoch nicht zurückhalten einen Browserbenchmark durchzuführen. Ich werde allerdings nicht ausführlich auf die Ergebnisse eingehen, da der Fokus des Artikels nicht auf der Leistung eines Browsers liegen soll. Verglichen habe ich den aktuellen Edge 80.0.361.111 (in der finalen Version, also nicht aus dem Canary, Dev oder Beta-Channel), den aktuellen Chrome mit der aktuellen Version 81.0.4044.92 und den aktuellen Firefox mit der Version 75. Das Ganze läuft auf meinem Desktop-System unter Windows 10 Pro (x64) mit ganzen 64GByte RAM und einem Intel Core i7 (4 Kerne) mit je 4 GHz. Dazu kommen noch zwei Nvidia GeForce Titan X. Der Browser sollte also nirgends an die Hardware-Grenzen stoßen.

Als erstes führte ich einen JavaScript-Benchmark aus: JetStream 2. Dieser prüft beim Browser die Umsetzung von JavaScript und WebAssembly-Schnittstellen. Je mehr Schnittstellen ein Browser umgesetzt hat und je flotter er mit diesen arbeitet, desto mehr Punkte erreicht dieser in diesem Benchmark. Microsoft erreicht in seinem Edge stolze 116.950 Punkte, während Google’s Chrome mit nur 108.794 Punkten in der Tat sogar etwas schlechter läuft. Firefox lieght weit dahinter mit nur 75.873. Hier liegt das Problem zugrunde, dass Firefox bis heute eine Anzahl an JavaScript-Schnittstellen und WebAssembly-Ansätze nicht (bzw. nicht korrekt) implementiert hat. So lassen isch bis heute zum Beispiel keine PWA’s richtig installieren und auch im Browser müssen diese auf bestimmte Schnittstellen verzichten. Jeder Chromium-Browser hingegen bietet zwar auch noch nicht alle, doch alle bereits freigegebenen Schnittstellen sind in Chromium und damit auch in Edge und Chrome umgesetzt worden.

Im zweiten Test wird die grafische Leistung der Engine auf den Prüfstand getestet. MotionMark ist ein Grafik-Benchmark, der die Fähigkeit eines Browsers misst, komplexe Szenen mit einer Ziel-Bildfrequenz zu animieren.

Besonders gut schneidet hier Google’s Chrome mit stolzen 490 Punkten ab, Microsoft’s Edge schneidet trotz der gleichen Engine erstaunlich schlecht mit gerade einmal 241 Punkten ab 🤔. Firefox liegt mit 162 Punkt allerdings erneut auf dem dritten Platz.

Wird Google wirklich stärker?

Nachdem wir nun festgestellt haben, dass Firefox technisch den Chromium-Browsern unterlegen ist kommen wir nun zu einem Thema, welches ich in den letzten Wochen immer und immer wieder gehört habe, dem ich jedoch absolut nicht zustimmen kann. „Google hat schon zu viel Marktmacht, Firefox könnte diese Unterstützung gebrauchen“„Warum hat sich Microsoft nicht für die Firefox-Engine entschieden, der ist doch viel besser“„Statt Browser-Vielfalt und offenes Web, gibt’s jetzt bald nur noch Chromium-Dominanz“. Man hört in den verschiedenen Kommentaren viel heraus. Manches ist davon richtig, manches ist aber auch schon inhaltlich schlicht nicht korrekt.

Meine persönliche Meinung dazu ist ganz einfach. Ich bin überhaupt kein Freund von Google und versuche Google so viel wie möglich zu meiden. Aus diesem Grund habe ich eine Zeit lang Firefox benutzt, aber ich konnte mich schlicht nicht mit dem Browser anfreunden. Aus diesem Grund wechselte ich dann zum Edge, welcher von Anfang deutlich besser war als der Internet Explorer (Bei der Umsetzung der HTML-Spezifikationen). Das war aber auch nicht wirklich schwer. Dennoch war Edge ein flotter und hübscher Browser. Während der Entwicklung von Websites und Web-Apps waren die Entwicklertools von Microsoft Edge, welche noch vom Internet Explorer stammten, schlicht nicht zu gebrauchen. Lediglich zu diesen Zwecken (und weil man als guter Web-Entwickler die Website in allen Browsern testet) verwendetet ich die Entwicklertools aus dem Chromium-Browser. Dieser bietet den Vorteil, dass hier so gut wie keine Google-Dienste im Browser zu finden sind, denn diese kommen erst mit dem Chrome-Überzug in den Browser.

Chromium, Chrome und Edge – Was sind die Unterschiede?

An dieser Stelle möchte ich einmal mit der Behauptung aufräumen, dass Google schon zu viel Marktmacht bei den Browsern hat. Klar mit mehr als 68% mit dem eigenen Chrome-Browser ist das absolut richtig, doch Edge und andere Chromium-Browser, ja nicht mal der Chromium-Browser selbst trägt dazu bei. Bei den 68% wird allein der Chrome-Browser in der Desktopfassung und auch in der Mobil-Version gezählt. Sowohl Opera (Welcher bekannterweise ebenfalls ein Chromium-Basierter Browser ist) als auch Edge zählen in den Statistiken als eigenständige Browser.

Das Chromium-Projekt

Das Chromium-Projekt ist in erster Linie ein Open-Source Projekt, welches die Chromium-Engine unter der BSD-Lizenz zur freien Verfügung stellt. Das Chromium-Projekt verwaltet auch den gesamten Quellcode. Wenn externe Entwickler wie Microsoft und Google Änderungen hinzufügen möchten, dann werden diese zuerst durch das Chromium-Team geprüft. Google selbst hat wie Microsoft oder andere Unternehmen/Entwickler keine direkte Kontrolle über die Entwicklung des Chromium-Projektes. Neben der Chromium-Engine selbst stellt das Chromium-Projekt auch eine freie Version des Browsers zum Download bereit. Die Entwickler hinter Chromium verwenden trotz der Unabhängigkeit von Google, verschiede Dienste des Suchmaschinenriesen, so zum Beispiel die Suchfunktion und die Synchronisation. Ähnlich verfährt auch Firefox, denn auch Mozilla greift zum Beispiel bei der Suche auf Google zurück.

Google Chrome, Microsoft Edge und Opera

Abspaltungen wie Google’s Chrome, Microsoft’s Edge oder auch Opera verwenden das Chromium-Projekt und dessen Browser als Codebasis und erstellen mit eigenen Modifikationen einen eigenen Browser daraus. Das Ergebnis sind eigenständige Browser (und Projekte), welche unabhängig von einander sind. Google hat auf Edge über die Chromium-Engine genauso viel Einfluss wie Microsoft auf Opera oder Chrome.

Anstatt das also Google mehr Marktmacht bekommt ist es also eher so, dass das Chromium-Projekt mehr verbreitet wird. Da ist Microsoft mit Edge aber auch ein eher kleines Licht, da Chromium schon in den Jahren davor von so vielen Projekten verwendet wurde. Egal ob Opera oder so viele Desktopanwendungen, die mit dem Entwicklerframework Electron arbeiten (Hierbei werden Anwendungen mit HTML und JavaScript entwickelt und in einer Art WebView auf dem Desktop zum Laufen gebracht). Ein Beispiel für eine solche Anwendung ist Beispielsweise der beliebte Messenger Slack.

Doch wie sieht es mit dem Argument „Statt Browser-Vielfalt und offenes Web, gibt’s jetzt bald nur noch Chromium-Dominanz“ aus? Nun zuerst, weder Google noch das Chromium-Projekt entscheiden darüber welche Technologien es in die W3C-Standards schaffen. Lediglich das World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt der Standard für das Web, welche dann von den Browser-Entwicklern umgesetzt werden. Andersherum sind natürlich die Entwickler der einzelnen Browser neben anderen im W3C vertreten.

Am Ende gibt es also immer noch eine ganze Menge Browservielfallt dadurch, dass es nach wie vor verschiedene Browser-Entwickler mit eigenen Browsern gibt, die in erster Linie unabhängig sind. Dahinter gewinnt meiner Meinung nach das Web sogar durch die Verwendung einer einzigen Browser-Engine in den verschiedenen Browsern (Firefox ausgenommen). Entwickler müssen sich weniger auf die Eigenheiten bestimmter Browser-Engines konzentrieren, sondern können voll und ganz die Web-Standards in ihren Web-Apps umsetzen.

Darüber hinaus hört man viel, dass Firefox die Unterstützung gebraucht hätte. Dem geringen Marktanteil zu folgen ist da vielleicht sogar was dran. Dennoch ist es absolut nicht an Microsoft andere Browser oder generell Software zu unterstützen – Warum auch? In erster Linie versucht Microsoft mit Edge einen eigenen Browser zu auf die Beine zu bekommen und so natürlich möglichst viele Benutzer auf eigenen Diensten und Software zu halten und nicht den guten Samariter zu spielen. Welche Gründe genau Microsoft zu Chromium führten und nicht zur Gecko-Engine werden wir vielleicht nie herausfinden. Denkbar wäre allerdings, dass sich Microsoft für Chromium entschieden hat, da diese bei modernen Web-Technologien wie WebAssemblies, Progressive Web Apps und ähnlichen einfach deutlich die Nase vorne hat und Microsoft bei diesem wichtigen Bereich nicht direkt zurück liegen möchte. Schließlich möchte Microsoft in der Zukunft von Windows Web-Apps mehr hineinbeziehen.

Nächste Woche schreibt der Kollege Freres zur der Contra-Sicht dieser Medallie.

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Entwickler: Microsoft Corporation
Preis: Kostenlos

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  • Hurra, das ist super erklärt. Ich red mir, selbst bei gestandenen Kollegen in der IT Branche den Mund fusselig. Danke für den Artikel.. Auch mir kommt es entgegen das es nur die eine Engin gibt. Endlich entwickelt man schneller und man ist den Browser F**k nicht ausgesetzt. Allerdings dauert es noch ne weile bis IE11 verschwindet. In Firmen, die z. B. alte Sharepoint Umgebungen nutzen, ist der IE11 immer noch die erste Wahl.

    • wir haben auch noch Office 2010 u.a. Mit Sharepoint (neues Office können wir noch nicht weil eine eigene Software von uns auf access aufsetzt. und access 2019 hat ein benötigtes Feature nicht. Und bisher keine oder kaum Ressourcen um das anzupassen). Beim alten Sharepoint haben wir immerhin den neuen Edge jetzt. Soweit ist unsere it immerhin 😂

      • 😀 Wir werden noch umgeleitet auf IE11, wenn ich den Edge UWP verwende, mit dem Hinweis das der Browser zu alt sei... 😜 Wie verrückt. Aber 365 steht in den Startlöchern. Ich hoffe wenn der Corona sch vorbei ist, bekommen wir das mal.

        • Wir müssen erst unsere Software anpassen, dass die nicht mehr auf access features zurückgreift. aber hey. office 2010 läuft auf windows wunderbar :D und ich fand das ribbon von 2010 am schönsten :D

  • Für meinen Geschmack beleuchtet der Artikel die Thematik viel zu einseitig und rein pragmatisch aus Entwicklersicht!
    Begonnen hat das Unheil einst schon damit, dass man dem kometenhaften Aufstieg Googles mit Suchmaschine, YouTube und noch vielem anderen – Googles Offensivkraft und -willen im Zuge des eigenen Versagens total unterschätzend – all die Jahre bis lange nach 2010 wie ein unbeteiligter Beobachter bloß tatenlos zugesehen hat..!
    „Aha, da entsteht also ein neues Yahoo..??.. mal schauen..“
    Jetzt, nachdem Google das Internet im Sturm erobert und radikal auf den Kopf gestellt hat, dominant beherrscht und jetzt schon seine eigenen Standards als die allgemein gültigen vorgeben kann und auch schon fast verbindlich vorgibt…
    …hofft man natürlich – sich mit der Verlierer-Rolle längst abgefunden - durch die pragmatische Entscheidung für einen Umstieg und einen solchen auch noch auf Chromium (statt auf Gecko) sich das zukünftige Leben doch etwas leichter zu machen, dem aggressiven Raubtier ein bisschen die scharfen Zähne zu ziehen und von Google etwas mehr Wohlwollen und endlich auch eine Art kooperativ funktionierenden Waffenstillstand erwarten zu können…
    Btw: Es sollte da bei dieser Grundsatz-Entscheidung von fast geopolitischer Tragweite auch gar nicht darum gehen, den Entwicklern ihr Leben zu vereinfachen!

    Auch als langjährig zufriedener Mercedes-Kunde würde ich da bei einem „pragmatisch“ begründeten Wechsel auf die „BMW-Engine“ und das „BMW-Fahrgestell“ nicht mehr mitziehen und mich fortan bei den offensichtlich wahren Meistern des Fahrzeug- und Engine-Baus bedienen!
    Kein Vertrauen mehr in das Schaffen von offenbar unter permanentem Weitsicht-Mangel leidenden und deshalb immer wieder dieserart die Notbremse ziehenden Managern und Ingenieuren

    • Wie der Titel ja schon sagt ist das diese Woche nur eine Pro-Sicht.. Und wie ebenfalls in Beitrag beschrieben wurde kommt nächste Woche die andere Hälfte...

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veröffentlicht von
Lars

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