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Die Kinderarbeit war ja noch ok, aber das geht zu weit

Der viertgrößte Handyhersteller der Welt, Xiaomi, steht in der Kritik. Der Hersteller hat nun öffentlich bestätigt, dass das Anzeigen von Werbung innerhalb des Einstellungsmenüs kein Fehler, sondern Teil des Geschäftsmodells sei. Die Kritiker rennen nun Sturm – und lassen das wahre Problem völlig unbeachtet.

Selbstbetrug ist geil

Wart ihr schon einmal bei Primark? Das ist ein Bekleidungsgeschäft, das T-Shirts für unter 2€ pro Stück verkauft. Das ist so verdammt billig, dass selbst die Aufbereitung gespendeter Kleidung mehr Kosten verursacht und entsprechende Einrichtungen dazu übergegangen sind, lieber Neuware zu kaufen.

Meistens denken wir nicht darüber nach, wie man eigentlich so billig Kleidung anbieten kann. So billig, dass selbst der Laden der mit Budgetkleidung bekannt geworden ist, H&M, dagegen wie Prada oder Gucci wirkt. Manchmal flackert unser Gewissen kurz auf, wir erinnern uns dann flüchtig an den Film “The real cost”, den wir letzte Woche gesehen haben und der uns ganz aufgewühlt zurückgelassen hat. Unsere Gedanken werden von der Kassiererin unterbrochen: “Die Tüte ist Pflicht”, sagt sie – dabei wollten wir doch was für die Umwelt tun.

Pocofone – ja, wie Poco Domäne

Zurück zu Xiaomi. Das Pocofone F1, ein Smartphone mit Snapdragon 845-Prozessor und 6GB RAM, aktueller Flaggschiff-Hardware, also, das man für etwas über €300 im Flashsale erworben hat, zeigt Werbung im Einstellungsmenü. Xiaomi kann also nicht zaubern – enttäuschend.

Stattdessen nutzen sie ganz ähnliche Mittel wie Primark, um trotz des niedrigen Gerätepreises Profit zu machen. Bei Primark müssen Kunden eine Tüte mit fettem Logo auf die Straße tragen, um Werbung für das Geschäft zu machen. Bei Xiaomi bekommen Kunden Werbung eben im Einstellungsmenü.

Die Chinesen sind übrigens nicht die ersten, die das so handhaben. Amazons Fire-Tablets gibt es viel günstiger, wenn man sich dafür Werbung auf dem Sperrbildschirm anzeigen lässt (“Mit Spezialangeboten” heissen diese Versionen der Tablets).

Und was soll ich jetzt machen?

Es ist bezeichnend, dass die meisten Kunden wohl eher mit noch niedrigeren Löhnen und widrigeren Arbeitsbedingungen einverstanden wären (zumindest passiv einverstanden), als Werbung auf dem Handy zu ertragen.

“Der Kunde” ist nicht per se böse. Wir alle machen uns täglich etwas vor, um unser Leben erträglicher zu gestalten. Und selbst wenn wir nachhaltiger kaufen wollten, stehen uns im Smartphone-Bereich nicht viele Alternativen offen. Das Fairphone hat löbliche Vorsätze, ist aber nicht nur teuer, sondern sieht auch hässlich aus. Keine gute Mischung, um die Massen vom Kauf zu überzeugen, höchstens um das moralische Überlegenheitsbedürfnis jener zu stimulieren, die diese Kompromisse eingehen möchten.

Die Politik müsste hier eingreifen und reiche Unternehmen mehr in die Pflicht nehmen. Firmen wie Apple und Co. lassen nicht menschlicher produzieren als Xiaomi, verlangen dafür aber das 4- bis 5-fache für ihre Geräte. Die 250 Milliarden US-Dollar Geldreserven, sind ein skandalöses und exemplarisches Zeugnis von jahrzehntelanger Ausbeute, das keine noch so gute “Aktiv gegen Kinderarbeit”-Kampagne überdecken kann.

Xiaomis Geschäftsmodell ist nur ein Symptom. Beschäftigen wir uns doch stattdessen lieber mit den Ursachen und möglichen Lösungen.

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  • Nur man sollte nicht vergessen was diese Kinder in den Ländern wie Indien machen müssen wenn sie in keiner Firma unterkommen um für die Familie Geld Heim zubringen, Sie werden auf dem Sex Markt verkauft, das möchte ich auch nicht, aber geht deswegen ein Deutscher auf die Straße und kauf ich dann keine T-Shirt Handy etc mehr zu einem top Preis, werden wieder Tausende entlassen und suchen auf der Straße nach ihrem Leben und überleben........

    • Ich habe nicht gesagt, dass Lösungen einfach sind. Komplexe Zusammenhänge sind aber kein Argument dafür gar nichts zu tun.

  • Das Hinterfragen dieser Kausalitäten führt iwann unweigerlich in dem Moralisch/Religiös/Philosphischen Bereich. Und weil die meissten diesen aufwändigen Weg iwann der Bequemlichkeit, dem Selbstbetrug und dem "Nutzungserlebnis" opfern bleibt es wie es ist oder wird schlimmer. Viel Spaß in der Matrix.

      • Die Politik kann nur Geldströme umleiten und Gesetze erlassen. Die Moral der Menschen wird dadurch nicht verändert. Grossindustrielle Entscheider werden umgeleitete Geldströme immer nur für die eigene Gewinn-Maximierung nutzen und nicht Verantwortung für ein globales Gemeinwohl entwickeln.

          • Sorry, aber eine gesetzliche Gewährleistungspflicht bewirkt keine grundlegende moralische Änderungen, weder bei Chefs noch Konsumenten. Die Kosten dafür werden (versteckt) auf den Konsumer umgelegt. Und in globaler Hinsicht (wir haben ja Globalisierung) ist sie nur ein nettes Konfetti..

          • Die moralische Änderung ist erstmal unwichtig. Es reicht zunächst wenn man bessere Umstände erzwingt. Wir sind da nicht einer Meinung, wenn du sagst, dass die Politik nicht positiv auf gesellschaftliche Zustände wirken kann und dies in der Vergangenheit auch schon oft getan hat.

          • Die moralische Haltung ist das eigentliche Kernproblem. Und da Politik und Wirtschaft von den Entscheidungen moralischer Wesen (Menschen) getroffen werden, sind die von dir gewünschten Erzwingungen halbherzig und auch von hintergründigen Seilschaften beeinflusst. Die wenigen ganzherzig aktiven Verbesserer bekommen niemals den Einfluss der eine globale Besserung herbeiführen wird, kurzzeitig, lokale oder von mir aus auch überregionale Impulse bestenfalls.

          • Die Politik kann Kleinigkeiten bewirken, mehr nicht. Die eigentlichen Entscheidungen finden hinter der Politik statt.

          • Im Kern genau das was du sagst, und zwar eine globale Regierung die "bessere Umstände erzwingt" und als moralischen Kompass das Wohl des Planeten und der Menschen im Sinn hat.

          • Unsere Gesetze rund um Arbeitsschutz, Kündigungsschutz usw. sind sicher keine Entscheidungen der Lobbyisten oder so.
            Ganz im Gegenteil. Das sind Entscheidungen der Politik fürs Volk. Hart erkämpft, teilweise sogar mit Leben.
            Umweltschutz das gleiche. Sicher nichts, was sich die Lobbys gewünscht haben.
            Denn all das verursacht Kosten und nein, die werden nicht alle (versteckt) 1:1 an den Kunden weiter gegeben, denn dann könnte sich niemand die Sachen leisten.

          • Nein, hart erkämpft von Arbeitern und Gewerkschaft vor langer Zeit. Und Arbeitssicherheit nur wegen den Versicherungen! Und mittlerweile kommen sie mit Sicherheitsvorkehrungen daher, die kaum noch einzuhalten sind wenn man was schaffen muss. Nur damit sich diese Ausbeuter aus der Verantwortung ziehen können. So sieht's nämlich aus. NIEMAND von denen schert sich auch nur einen Dreck um uns alle. Halt doch, wenn du reich bist und sogar noch was besseres im Gemeinwesen, dann wirst du hofiert und dann hören die sich auch deine Sorgen an...

          • Scaver, sieh das Problem mal global (was es ja ist) und dann sind die von dir angeführten Punkte leider nur Konfetti...

      • @leo, politik wird nie nur aus moralischen gründen handeln und nie unabhängige Entscheidungen treffen. Solange politiker ihr gehalt nicht nur durch den staat bekommen sondern auch durch Lobbyismus, werden immer Entscheidungen gefällt die für die großen firmen gut sind und nicht für die bürger und menschen.

    • das war wohl eher Sarkastisch gemeint. Ansonsten absolut korrekt. Der Schutz der Kinder MUSS Weltweit in den Fokus der Politik gerückt werden. Ausbeutung in jedweder Form ist nicht die Ausnahme sondern die Regel. Wenn große Konzerne wie Apple, MS, Xiaomi hier einen Schulterschluss wagen würden könnte viel bewegt werden. Kinder gehören in die Schulen und Ausgebildet, nicht in Fabriken um für Hungerlöhne ihre Familien über Wasser zuhalten.

      Leider wissen wir als Konsumenten oft garnicht mit welchem Elend wir unser kleines Bisschen Luxus erkaufen. Oder wir wollen es nicht wissen.... Und die Politik? Die ist viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, sonst wäre der Schutz der Kinder bereits im Grundgesetz verankert. Auch wenn Leo recht hat und der einzelne Bürger viel zu ineffektiv ist heißt das nicht das man nichts tun kann/soll.

      • Wäre eine politische Bewegung mit dem Anliegen der Durchsetzung solcher Forderungen und angesichts der üblichen zähen Entscheidungsprozesse überhaupt mehrheitsfähig?

      • Ich gebe Dir absolut Recht.
        Das Problem ist, dass viele Familien auf das Einkommen der Kinder angewiesen sind, gerade in Indien. Ein Kind das zur Schule geht, also Geld kostet und kein Geld heim bringt, können da die armen Familien nicht ernähren.

        Das Ding ist ne Medaillie mit 2 Seiten. Am Ende werden dadurch diese Kinder wenigstens ernährt.

        Sicher, es darf so nicht sein. Aber was wollen die Unternehmen oder sonst wer tun, wenn die eigene Regierung nichts tut?
        Klar sie könnten darauf verzichten. Das Ergebniss Kinder die sterben, durch Hunger oder weil sie getötet werden, da man sie eh nicht ernähren kann.
        Es ist nun mal eine Grausame Welt.

    • Ob für uns hier okay oder nicht... In vielen Ländern hat Kinderarbeit Tradition, wenn Familien um's Überleben kämpfen müssen. Das wird man denen nicht austreiben können, genauso wenig, wie den Drang, möglichst viel Nachwuchs zu zeugen, um trotz fehlender staatlicher Altersversorgung, auch später sein Auskommen zu finden... und eben auch, um schnell genügend dringend benötigte familiäre Arbeitskräfte zur Verfügung zu haben…
      Früher mussten die Kinder unbezahlt auf den Feldern schuften, jetzt haben wenigstens manche von ihnen die Möglichkeit beruflich an der Nähmaschine zu sitzen... Rührselig naiv zu glauben, dass sich weit entfernte Kulturen unbedingt unsere Kinderverwöhnung zum Vorbild nehmen müssten. Purer Kultur-Kolonialismus oder gar -Chauvinismus…!

  • Danke für diesen Beitrag! Ich kenne Leute, die geben offen zu das ihnen das egal ist.
    "für das Geld ist doch nichts hin. Und wenn es kaputt ist, dann kauf ich mir halt das nächste". Da kommt mir die Galle hoch. Seit Jahren weiß man es, aber es wird immer noch schlimmer. Das nächste Thema von Ausbeutung und Umweltvernichtung werden Ressourcen für die E-Auto Batterien. Aber natürlich erst wenn die ganze Maschinerie schon längst am laufen ist. Und dann gibt's wieder nur Schulterzucken und Desinteresse. Das größte Problem am Menschen ist das er genau weiß wie es besser ist, aber nichts dafür tut..

  • Warum sollte man immer die Firmen begrenzen? Der Konsument fördert diese doch. Der Konsument will alles möglichst billig haben, also sollte man mal überlegen den Konsumenten zu begrenzen. Die Firmen machen nur das, was der Konsument will. Den Firmen immer die Schuld zu geben ist das gleiche Spiel wie im ersten Weltkrieg. Es klappt nicht nur einen die Schild zu geben, dass kann noch schlimmer enden...

  • Ganz ehrlich, der Beitrag ist super. Ich arbeite selbst im Handel und ein riesen Primark steht gegenüber. Jeden Tag muß ich das Elend ansehen. Da kommen Kunden, vollbepackt mit Primark Tüten und feilschen dann, daß der Bluray-Player für 59,- Euro zu teuer sei. Ich frage dann immer, ob sie auf Kinderarbeit stehen, was immer zu aggressiven Antworten führt. Was soll ich denn sagen? Jeder wird durch die "Geiz-ist-Geil-Mentalität" mitgerissen. Da das Problem sehr weit weg ist, verdrängt man es gerne, ohne bewußt zu erahnen, daß dieses absolut kranke und geistesgestörte System am Leben gehalten wird, mit jedem Cent, den wir hineingeben. Denkt mal darüber nach, wenn ihr wieder so ein Teil bestellt. Amazon ist da auch kein Vorzeigeuntetnehmen....

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veröffentlicht von
Leonard Klint

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