Windows 10 Lite – Die nächste große Enttäuschung?

[Hinweis: Es handelt sich hierbei um einen Meinungsbeitrag des Autors, der nicht zwingend die Meinung aller Menschen wiederspiegeln muss. Es ist nicht die Absicht, eine wissenschaftliche Ausarbeitung abzuliefern, sondern den eigenen Eindruck zu schildern und qualitative Diskussionen anzuregen.]

Nachdem Ende letzten Jahres erste Hinweise zu Windows 10 Lite aufgetaucht sind, wurde es bedenklich still um dieses Thema herum. Gegen Februar kam es allerdings zu erneuten Leaks, laut denen es sich bei Lite um ein losgelöstes OS handeln soll, das auf Microsofts Windows Core OS basiert. Und dennoch kommen nun (mal wieder) größere Zweifel auf.

Zunächst: Was ist „Microsoft Lite“?

Hinter dem Gedanken von Lite steht ein Umbruch, der schon seit längerem bei Microsoft vorgeht: Seit der Einführung von Windows 10 ist mehr oder weniger direkt auch die Rede vom Core OS. Seit Einführung ist es das Ziel von Microsoft, auf allen Geräteklassen exakt die Selben Module zu haben – sei es Xbox, IoT, PC oder Mobile.

Dadurch bleibt der Kern immer der Selbe, und es unterscheiden sich nur noch die Treiber als solche. Dadurch bewirkt man, dass man Windows als solches nur einmal programmieren muss und sofort die Änderungen auf sämtlichen Plattformen zur Verfügung stehen.

Dadurch sind alle Versionen von Windows 10 im Kern gleich und (theoretisch) in der Lage, jede Anwendung auszuführen. Wer Windows kennt, weiß allerdings auch, wie viele Altlasten noch mitgeschleppt werden. Beispielsweise die Treiber können im Umfang stark reduziert werden, wenn sie auf die Geräte zugeschnitten werden – wie es bei Apple schon seit Jahren der Fall ist.

Der nächste logische Schritt ist es also, nur alle wirklich notwendigen Teile des Kerns zu nehmen und zu nutzen und in ein neues Betriebssystem zu packen. Dadurch hat man ein pfeilschnelles, kompaktes Betriebssystem für alle, die nur die Basisfunktionen brauchen – und kann Windows 10 als solches für Professionals und Prosumer weiterführen.

Dabei muss niemand auf neue Features verzichten, da der Kern ja weiterhin der Selbe bleibt. Wie seit Februar bekannt, wird dieses Basissystem intern „Lite“ genannt.

Vor einigen Stunden twitterte allerdings Tom Warren, einer der Chef-Autoren von TheVerge, dass es auf der diesjährigen Microsoft Build keine Neuigkeiten oder Präsenz zu Windows 10 Lite oder Core OS geben wird. In der Vergangenheit war er stets gut informiert, daher stufen wir seine Aussage als glaubwürdig ein.

Microsoft won’t be talking about Windows Lite or Core OS at Build keynotes. An event later this year would make sense for that, if it’s ready in time

— Tom Warren (@tomwarren) April 27, 2019

Die Hiobsbotschaft wird hier unmissverständlich rüber gebracht: Microsoft hat es auch diesmal nicht gepackt, Windows 10 Core OS fertig zu kriegen und alles zieht sich mal wieder in die Länge. Wieso diese Nachricht mich, und sicherlich auch viele andere, enttäuscht hat, werde ich aus verschiedenen Standpunkten genauer beleuchten.

Der Nachruf von Windows Mobile

Alle, die (bis vor einiger Zeit) mit Windows Mobile sympathisieren und es als Daily Driver genutzt haben, werden sich an eine ähnliche Geschichte erinnern: Die des „Surface Phone“. Die ersten Gerüchte hielten sich sehr lange, für viele Microsoft-Fans erzeugte der Name „Andromeda“ beinahe ekstatische Gemütswandlungen.

Doch mittlerweile, nach beinahe vier Jahren, muss man sagen: Der Traum wurde von Microsoft still und heimlich begraben. Es sind viele Gerüchte in die Welt gekommen, Renderbilder, Fan-Arts – Doch nie wurde ein echtes Gerät gesehen. Das Surface-Phone ist und bleibt ein Mythos – und so ähnlich könnte es auch mit Lite ablaufen.

Was genau das mit Windows Mobile zu tun hat? Nun, es wurde lange Zeit gehofft, dass Microsoft mit dem „Surface Phone“ einen Gamechanger auf den Markt bringt – und Windows Phones wieder einen erneuten Aufschwung in goldene Zeiten erlebt. Wie wir schmerzlich feststellen mussten, ist dieser Fall nie eingetreten – und Windows Mobile bekommt in kürze den Todesstoß versetzt.

Wenn wir uns die Situation der jetzigen Jugend genauer anschauen, stellen wir schnell fest: Beinahe jeder nutzt ein iPhone oder aber, wenn es finanziell nicht möglich ist, ein Android Smartphone. Beinahe jeder träumt von einem iPad Pro, um im Unterricht mitzuschreiben. Für die derzeitige Jugend spielt Microsoft mit Windows kaum eine Rolle. Und dort besteht für Microsoft Handlungsbedarf. Google hat sich mit Android hervorragend positioniert, um auch in Zukunft seine Produkte unters Volk zu bringen, wohingegen Microsoft sich zunehmends auf seine Business-Partner verlässt – ein fataler Fehler, wenn man groß und (für den Mainstream) relevant bleiben will (höre ich da IBM..?).

Für viele jugendliche steht Windows für den klobigen, lahmen Büro-PC der Eltern – mehr oder weniger ein notwendiges Übel, wenn man arbeiten muss. Macs hingegen sind Wieselflink und strotzen vor Eleganz – Wer sich ein wenig auskennt, weiß natürlich, dass dieser Vergleich hinkt.

Dennoch hat Microsoft hier ein riesiges Potenzial: Ein neues, leichtes OS, das super schnell auf billiger Hardware läuft und dennoch Windows-Programme ausführen kann. Das einzig Richtige, um vom maßlos klobigen Windows 10 die Basis-Funktionen für jedermann zu bieten.

Und ganz ehrlich: Nach dem Fail von Windows 10 S, welches später zu Windows 10 Pro hereingenommen wurde, kann man sich so eine Aktion nicht nochmal leisten. Wenn man so ein System bringt, sollte man es richtig machen – und es nicht an den falschen Stellen kastrieren

Das „Ding“ mit Apple

Wer die aktuellste Generation von Apple’s MacBooks nutzt, dürfte unter Umständen enttäuscht werden: Nach dem Super-GAU mit der Kühlung vom 2016er MacBook Pro, sind nun schwere Mängel bei den Tastaturen aufgetreten.

Für viele Business-User ein absolutes No-Go. Wer allerdings nicht mit „veralteter“ Technologie herumlaufen wollte, ist gezwungen, nach einer Alternative zu suchen – und da Linux nach wie vor leider nicht von vielen Softwareherstellern unterstützt wird, bleibt eigentlich nur noch Windows.

Wer dennoch mal einen Eindruck von Linux haben möchte, der kann mal auf der Webseite von Linux Mint vorbei schauen – eine offizielle Installationsanleitung habe ich euch verlinkt.

Ein Microsoft Lite auf einem schicken Gerät könnte sicherlich langjährigen Nutzern von MacOS eine Leichtigkeit und Schnelligkeit vermitteln, die man sonst nur von Linux und MacOS kennt – und aus der Übergangslösung eine dauerhafte Bindung machen. In der Realität bleibt das allerdings nur Wunschdenken eines Microsoft-Fans: In absehbarer Zeit wird so etwas wohl nicht passieren.

Unternehmen und Schulen…

…sind auch an moderner Technik interessiert. Gerade Deutschland startet nun eine Digitalisierungs-Offensive und steckt Millionen in den Ausbau der öffentlichen Einrichtungen – und die private Wirtschaft lässt sich dort auch nicht Lumpen.

Doch wo ist Microsoft dort? Günstige, schnelle Geräte mit Unterstützung für das wohl gängigste Format an Programmen (.exe), die einfach zu verwalten sind und trotzdem noch ästhetisch ansprechend sind, würden dort einschlagen wie sonst nichts.

Nur, wo ist Microsoft dort? Stattdessen werden Wägen mit iPads angeschafft, die Software zu Lasten der Schüler limitiert. Lehrer finden es super, da diese leichter zu verwalten sind und in der Bedienung Kinderleicht sind – im Gegensatz zu Windows 10.

In den USA sind außerdem die Chromebooks ein großer Deal: Durch die enge Verzahnung mit dem Smartphone und Kampfpreisen gehen sie dort weg wie warme Semmel. Und Microsoft? Windows 10 ist träge und macht auf Geräten mit wenig Leistung einfach nicht so wirklich Spaß.

Wer außerdem was schickes haben will, muss zumeist tief in die Tasche greifen. Microsoft Lite ist dort eine große Chance, um die Leute dort abzuholen, wo sie stehen. Ein System, so simpel und schnell wie Android, aber mit den Funktionen von Windows 10 – Das ist es, was die meisten Leute zum arbeiten brauchen.

Mein Fazit

Microsoft wird wohl erneut alle Geeks enttäuschen, was für den Rest der Welt aber nicht so tragisch ist. Für die bleibt Windows 10 einfach nur ein Arbeitsgerät, und für Freizeit gibt es noch Android/Apple TV, Tablet, Phones und was man sonst noch braucht.

Es wäre aber auch nicht das erste Mal, dass ein Projekt still und heimlich aufs Abstellgleis gebracht wird. Ein paar prominente Beispiele sind hier Windows RT, Windows 8, Windows Mobile, Microsoft Band (2), Surface Phone, die Geschichte mit Projekt Astoria (Android Apps auf Windows Mobile), und so weiter… Das scheint typisch Microsoft zu sein.

Noch ist die Hoffnung nicht gestorben, aber je länger man wartet, desto schwieriger wird es. Ich für meinen Teil wünsche mir schon lange ein „Windows Lite“, das für die meisten Aufgaben ausreicht und diese sogar viel schneller packt.

Da Microsoft schon sehr lange am Core OS arbeitet, wird es so langsam auch mal Zeit. Aber erneut auf eine coole Sache seitens Microsoft zu warten hinterlässt einen faden Geschmack – in der Vergangenheit hat sich das Vertrauen nur selten als Berechtigt erwiesen.

Es gibt sicherlich noch mehr Aspekte, die man hier behandeln kann. Schreibt doch einfach in die Kommentare, was ihr darüber denkt!