Ohne großen Knall, eher still und leise, hat Microsoft vergangene Woche sein erstes Wearable Device vorgestellt: das Microsoft Band – eine Mischung aus Fitness Tracker und Smartwatch, mit dem die Redmondern endlich in den Markt einsteigen wollen, dem nach Meinung so vieler Beobachter die Zukunft gehört. Doch nicht nur die zögerliche Ankündigung hat viele Fragezeichen hinterlassen.
Was will Microsoft mit dem Fitness-Band? Warum kam es nur in den USA auf den Markt? Warum ist es nicht exklusiv für Windows Phone?
Wenn ich auf die Berichterstattung und die User-Kommentare rund um das Microsoft Band blicke, dann habe ich den Eindruck, dass viele Beobachter missverstanden haben, was genau letzte Woche eigentlich passiert ist. Hier möchte ich versuchen, die – meiner Ansicht nach – größten Missverständissse aufzuklären.
1) Letzte Woche war Verkaufsstart des Microsoft Bands, aber nur in den USA.
Nicht ganz falsch, aber auch nicht ganz richtig. Im Zusammenhang mit den ersten verkauften Microsoft Bands wäre es korrekter von einem Markttest zu sprechen, als von einem richtigen Produktlaunch. Auch in das USA ging das Microsoft Band zunächst nur in sehr begrenzter Stückzahl in den Handel und war entsprechend schon nach kurzer Zeit vergriffen.
Vorwürfe, Microsoft hätte das Angebot absichtlich knapp gehalten um wohlklingende Schlagzeilen à la „Microsoft Band nach 24 Stunden ausverkauft“ zu produzieren, ließen natürlich nicht lange auf sich warten, sind angesichts der extrem zurückhaltenden PR für das Fitness-Band aber absurd.
Vielmehr möchten die Redmonder das neue Gerät und vor allem die Plattform „Microsoft Health“ zunächst einmal mit einer geringen Userzahl und in einem überschaubaren Markt testen und Feedback sammeln. Man will sehen, wie das Band wirklich genutzt wird, was wir Daten zusammenkommen und welche Anwendungen Sinn machen. Im nächsten Schritt, soll das Smartband dann auch für „Apps“ von externen Entwickerln geöffnet werden.
Der große, internationale Rollout steht also noch bevor. Und bis dahin wird am Konzept des Microsoft Band (und vielleicht sogar am Design?) noch ein wenig gefeilt werden.
2) Microsoft’s wichtigste Ankündigung war ein Smartband
Obwohl die Hardware verständlicherweise die größte Aufmerksamkeit bekommen hat, war die große Nachricht der letzten Woche eigentlich nicht das Microsoft Band, sondern „Microsoft Health„. Dieser Cloud-Dienst soll in Zukunft Fitness- und Gesundheitsdaten von allen möglichen Endgeräten sammeln und vor allem in einer Form aufbereiten, die dem Benutzer einen echten Mehrwert bietet.
„Schlafe ich schlechter, wenn ich spät zu Abend esse?“
„Verbrenne ich mehr Kalorien, wenn ich langsamer, aber dafür länger jogge?“
„Esse ich zu viel Fett, wenn ich im Job gestresst bin?“
„Trainiere ich besser, wenn ich davor viele Kohlenhydrate esse?“
Aktuell gibt es eine ganze Reihe von Fitness-Trackern, Apps und Plattformen, die alle ihr eigenes Süppchen kochen und mehr oder weniger isoliert voneinander arbeiten. Mit Health will Microsoft die Plattform anbieten, auf der in Zukunft alles zusammenläuft.
Das Microsoft Band als eigene Hardware-Lösung steht dabei nicht wirklich im Zentrum der Strategie. Es ist vielmehr ein Vorzeige-Gerät, um die Möglichkeiten von Microsoft Health zu demonstrieren – und das einzigartige Modul mit 10 Sensoren, die Microsoft im Band verbaut hat und an andere OEMs lizenzieren möchte.
In Zukunft können und sollen also andere Hersteller wie zum Beispiel FitBit ihre eigenen Wearables für die Microsoft Health Plattform entwickeln und dabei sogar die hervorrgande Sensortechnologie nutzen können, die Microsoft mit seinem Smartband entwickelt hat. Die Redmonder wollen den Markt also nicht durch eigene Hardware besetzen, sondern, ganz im Gegenteil, Partner für ihre Cloud- und Software-Lösung gewinnen.
Für eine hervorragende Erklärung der Vision hinter dem Microsoft Band und Microsoft Health, empfehle ich diesen Artikel von David Pierce von The Verge.
3) „Das Microsoft Band ist ein Wearable für Windows Phone, das auch mit iOS und Android funktioniert“
So oder so ähnlich lautete die Schlagzeile eines großen amerikanischen Online-Magazins zum Microsoft Band. Doch die Kollegen scheinen etwas Missverstanden zu haben. Das Microsoft Band ist kein „WP first“ Gerät, sondern ein „cloud first“ Gerät. Es ist nicht in erster Linie ein Assessoire für das Smartphone – obwohl es natürlich mit dem Smartphone kommunizieren und Nachrichten anzeigen kann – sondern ein Endgerät für den Cloud-Dienst Health. Und als solches ist es – im besten Sinne – plattformagnostisch-
Während man mit Konkurrenzlösungen wie Apples Health Kit auf eine Hand voll Endgeräte eingeschränkt und letztendlich auf ein iPhone angewiesen ist, steht Microsoft’s Dienst für alle Betriebssysteme offen, egal ob Windows (Phone), Android oder iOS. Damit lassen die Redmonder die alten Grabenkämpfe hinter sich und rüsten sich für eine Zukunft, in der (dezentrale) Dienste im Mittelpunkt stehen und Endgeräte austauschbar werden.
Dennoch, eine kleine Genugtuung für alle Windows Phone Fans: das Microsoft Band funktioniert mit allen Betriebssystemen, aber – dank der Anbindung an Cortana – mit Windows Phone am besten. Für mich ist das der Idealzustand.
4) Microsoft hat eine Konkurrenz zu Android Wear vorgestellt
Als das Microsoft Band und Microsoft Health vorgestellt wurde, lautete der Kommentar eine großen Deutschen Windows Seite, der Software-Riese sei diesmal nicht nur spät dran, sondern ZU spät, weil Android Wear den Markt schon besetzt habe. Ich halte diese Einschätzung für falsch, weil ich Anroid Wear weder technisch noch in Sachen Marktdurchdringung so weit vorgeschritten sehe.
Vor allem aber geht der Kommentar völlig am Punkt vorbei, weil Mirosoft überhaupt keinen Konkurrenten zu Android Wear vorgestellt hat. Zum einen: es wäre interessant zu erfahren mit was für einem „Betriebssystem“ das Microsoft Band läuft, bzw. worauf genau die entsprechende Entwickler-Plattform basiert. Aber die Tatsache, dass wir das bis jetzt nicht genau wissen, zeigt, dass es Microsoft hier nicht darum ging ein Betriebssystem für Wearables als Alternative zu Android Wear auf den Markt zu bringen.
Worum es Microsoft ging – und da wiederhole ich mich – ist der Cloud-Dienst Microsoft Health und das bisher einzigartige Sensor-Modul. Und auch Smartwatches und andere Geräte mit Android Wear sind herzlich „eingeladen“, beides in Zukunft zu nutzen, sofern Microsoft beweisen kann, dass ihre Lösung besser ist als Google Fit und CO.
In Sachen Wearables – oder zumindest in Sachen Fitness-Wearables – lautet das Ziel als nicht den Hardware-Markt zu dominieren, sondern die Plattform anzubieten, auf der in Zukunft alles zusammenläuft.
Weitere Quellen:
Offizielle Produktseite im amerikanischen Microsoft-Store
Blogpost zur Ankündigung des Microsoft Bands
Daniel Rubino für Windows Central: Why the Microsoft Band is in short supply