Gaming

EverQuest: Eine virtuelle Wirtschaftskraft fast so stark wie Russland

Wenn man heutzutage die Termini Wirtschaft und Videospiel hört, denken die meisten wahrscheinlich an die Problematik von In-App-Käufen und Lootboxen. Es gab jedoch auch Spiele, welche eine eigene Ökonomie besaßen und sogar in das reale Leben übergriffen. Am ehesten trifft dies auf MMORPGs und Simulationsspiele zu – hier sind unter anderem World of Warcraft, Ultima Online und Second Life hervorzuheben.

Ende 2001 sollte diese Thematik jedoch eine komplett neue Dimension erhalten, als der Ökonom Edward Castronova ein Dokument veröffentlichte, in dem er behauptete, dass ein isolierter Ort namens Norrath eine Währung hervorbrachte, die stärker als die des japanischen Yen sein sollte. Diese Behauptung wird sogar noch surrealer, wenn man bedenkt, dass dieser Ort weniger als eine Million Einwohner zählte. Norrath war ein ausschließlich virtueller Ort und Teil des Spiels EverQuest, ein MMORPG, das in einer magischen Fantasiewelt spielte und knapp 500.000 regelmäßige Spieler fesselte.

Als sich Castronova mit dem Game beschäftigte, fielen ihm einige faszinierende Aspekte hinsichtlich der virtuellen Ökonomie von Norrath auf – nach ausschweifenden Recherchen veröffentlichte er das Paper Virtual Worlds: A First-Hand Account of Market and Society on the Cyberian Frontier. Gemäß eigener Aussagen hätte er sich mit 75 Lesern zufriedengegeben – mittlerweile wurde das Dokument von knapp 50.000 Menschen heruntergeladen. Auch wenn dies auf den ersten Blick nicht viel scheint, muss man bedenken, dass es sich um eine akademische Publikation handelt, welche in einer Online-Wissenschaftzeitschrift veröffentlicht wurde.

Doch welche Behauptungen stellte Castronova genau auf? Nach einigen Recherchen errechnete er für Norrath ein Bruttosozialprodukt, das weltweit auf Platz 77 und somit zwischen Bulgarien und Russland stehen würde. Möglich war dies dadurch, dass sich auf dem Höhepunkt von EverQuest eine Wirtschaft entwickelte, die es den Nutzern ermöglichte, alles erdenkliche im Spiel zu erwerben. Dabei spielte die Seltenheit des Gegenstandes keine Rolle, solange man nur genug In-Game-Währung besaß, um diesen zu erwerben. Es blieb jedoch nicht in der fiktiven Welt – die Wirtschaft dehnte sich sogar in die reale Welt aus, da das Handeln von In-Game-Gegenständen und Avataren auch auf Seiten wie eBay florierte. Es wurden sogar Firmen gegründet, für die Niedriglohnarbeiter sowohl in Norrath als auch in der realen Welt mit diesen virtuellen Gütern und realem Geld handelten.

Castronova verglich die Werte der virtuellen Güter mit der realen Wirtschaft und errechnete einen Wechselkurs, sodass der Wert der Währung von EverQuest die des japanischen Yen und der italienischen Lira übertraf. Zudem fand er heraus, dass der durchschnittliche Bürger von Norrath einen Stundenlohn von 3,42 Dollar hatte, was heutzutage in Hinblick auf die Inflation ungefähr fünf Dollar wären. Somit war ein Monatslohn von 273 Dollar und ein Jahreslohn von über 12.000 Dollar möglich. Die Armutsgrenze in den USA lag zu dem Zeitpunkt übrigens bei 8.794 Dollar. Damit konnte er auch das ungefähre Bruttosozialprodukt des MMORPGs berechnen, was seinen Forschungen zufolge – wie bereits geschildert – den 77. Rang auf der weltweiten Liste einnahmen.

Auch heute ist die Wirtschaft in Spielen und auf Gaming-Plattformen immens wichtig: Selbst Firmen wie Valve stellen Ökonomen ein, um ihre virtuellen Welten zu organisieren. Dies hat auch den Zweck, dass solche In-Game-Economies nicht außer Kontrolle geraten, insbesondere im Zeitalter der modernen Medien, welche uns heutzutage zur Verfügung stehen. Solche Schutzmechanismen gab es Anfang des 21. Jahrhunderts so nicht wirklich, weswegen der abgeschiedene Ort Norrath sich in die Top 100 der Weltwirtschaft katapultieren konnte.

Solltet ihr Interesse an dem Paper von Edward Castronova haben, könnt ihr es euch hier in der Originalfassung ansehen.

Was haltet ihr von den Recherchen Castronovas? Ich freue mich auf eure Kommentare!


Quelle: Today I Found Out / YouTube

Bildquelle: EverQuest Wiki

Zeige Kommentare

  • Also abgesehen das dies von 2001 ist also 18 Jahre her , hat die pdf das arge Problem das ab Seite alles unverständliche Hieroglyphen sind.

    Ich glaube WoW zeigt noch viel öffentlicher (da im Maximum bis 12Millionen Spielern) wie ein eigenes Wirtschaftssystem im Spiel entstehen kann. Allerdings sind viele Dinge (so fern nicht vom Spielepublishet frei gegeben) Mutmaßungen. Die Schere zwischen Arm und Reich im Spiel sind deutlich größer, als in der freien Welt...
    Ob man da wirklich Ein Bruttoinlandsprodukt oder Mindestlohn etc. errechnen kann, ist glaub eher viel dran glauben und eigene Zahlen statistisch relevant zu macheb ..

  • "...einen Stundenlohn von 3,42 Dollar hatte, was heutzutage in Hinblick auf die Inflation ungefähr fünf Dollar wären. Somit war ein Monatslohn von 273 Dollar und ein Jahreslohn von über 12.000 Dollar möglich..."

    Muss ich das verstehen.
    Wie kann 12*273~12000 ergeben?

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veröffentlicht von
sirthecos

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