Windows-Faktenkunde (4): Das Nokia Lumia 1320 – Ein Rückblick auf den unterschätzten Sonderling

Der Blick zurück vor dem Schritt nach vorn:

Microsoft wird am 6.Oktober eine ganze Palette neuer Hardware präsentieren, soviel ist sicher. Besonders sehnsüchtig wartet die Windows-Welt dabei natürlich auf die neuen Smartphone Flaggschiffe Lumia 950 und Lumia 950 XL. Es gilt als gesichert, dass beim Größeren der beiden Neuen ebenso wie beim Lumia 640 XL ein stattlichen 5,7 Zoll großes Display verbaut wurde.

Doch in der Vergangenheit ging es in der Windows Phone-Welt noch größer zu:

Nokia baute nämlich gleich zwei Lumia-Modelle mit einem riesigen 6 Zoll Display. Das Eine machte sich als das Lumia 1520 einen bis heute wohlklingenden Namen und gilt neben dem Lumia 930 immer noch als das ultimative Windows Phone Flaggschiff. Das zweite Gerät im Bunde genießt weitaus weniger Ansehen und nennt sich Lumia 1320 – und um genau dieses unterschätzte Modell soll es in der vierten Folge der Windows-Faktenkunde rückblickend noch einmal gehen.

Bekanntgeworden ist das Lumia 1320 eigentlich zumeist nur als „die Sparversion des Lumia 1520“. Doch seine Verwandschaft teilt es noch mit einem ganz anderen Modell: Das wesentlich kleinere Lumia 625 sieht ihm mit seinem 4,7 Zoll großen Display nämlich fast zum verwechseln ähnlich. Doch der Reihe nach:

Ein dickes Ding in Zahlen:

• Prozessor: Qualcomm Snapdragon S4 Dual-Core Prozessor mit 1,7 GHz Taktung
• 6 Zoll IPS-Display (1280 x 720 Pixel) mit ClearBlack Technologie  (Gorilla Glass 3)
• 1 GB Arbeitsspeicher
• 8 GB interner Speicher (erweiterbar per microSD)
• 5 MP Hauptkamera mit LED Blitz
• 0,3 MP VGA Frontkamera
• 220 Gramm Gewicht
• LTE
• Nicht wechselbarer Akku (3400 mAh)

Aufschrei beim Blick auf die Waage:

Das Lumia 1320 ist mit 220 Gramm Gewicht ein wirklich dicker Klopper geworden und wiegt somit noch ein Stückchen mehr als zwei übereinander gestapelte Tafeln Schokolade. Zum Vergleich: Das Lumia 1520 wiegt 209 Gramm und damit nur unwesentlich weniger. Bei den Abmessungen gibt da schon signifikantere Unterschiede: Während das Lumia 1320 mit 9,8 mm fast einen Zentimeter dick ist, erreicht das Flaggschiff Lumia 1520 eine Bauhöhe von nur 8,7 mm – und wirkt damit deutlich filigraner.

In einigen Punkten weicht das Lumia 1320 nur unwesentlich bzw. nicht dramatisch vom Lumia 1520 ab, doch wenn wir und die verbauten Kameras ansehen, beginnt das große Aha-Erlebnis: Während im Lumia 1520 eine fette 20 MP Kamera mit Dual-LED-Blitzlicht und PureView-Technologie verbaut wurde, knipst das 1320 mit bescheidenen 5 MP. Und auch die Popel-Frontkamera ist eher ein schlechter Witz, wer will schon VGA Fotos auf einem 6 Zoll Display „genießen“?

Das will nicht so recht zum Rest passen, denn besonders der Akku kann richtig punkten: Mit 3400 mAh hat er zwar die selbe Größe wie im Lumia 1520, jedoch hält er „dank“ niedrigerer Displayauflösung und schwächerem Prozessor sogar noch ein Stückchen länger (!) durch als beim schon zum damaligen Zeitpunkt wesentlich teureren Flaggschiff-Modell. Wenn er doch wenigstens wechselbar wäre. Ist er beim 1520 zwar auch nicht, doch beherrscht dieses wenigstens die kabellose Ladetechnik.

Immerhin ist sogar der Glance Screen mit an Board, das Display wird von Nokia/Microsoft zudem als „hochempfindlich“ eingestuft und gilt somit als besonders reaktionsfreudig.

Auch die Farbauswahl ist interessant: Neben klassischem schwarz und weiß gibt es das Lumia 1320 auch in knalligem gelb und einem interessanten Rot/Orange-Ton.

Nicht mehr selbstverständlich: Während bei aktuellen, vergleichbaren Modellen schon seit geraumer Zeit auf eine Kamera-Taste verzichtet wird, kann das Lumia 1320 hier tatsächlich noch punkten, denn es ist ein richtiger Auslöser am Gerät vorhanden. Nur was nützt Der, wenn die Kamera selbst dann doch eher bescheiden ist?

Wo steht das Lumia 1320 heute?

Man möchte es nicht für möglich halten: Während das (bald ehemalige) Flaggschiff Lumia 1520 mittlerweile nur noch schwer erhältlich ist und wenn überhaupt nur noch zu astronomischen Preisen, bekommt man das Lumia 1320 bei einer UVP von 399 Euro mittlerweile schon zu Straßenpreisen für unter 160 Euro – ein durchaus erstaunlicher Preis für ein Gerät dieser Größe, welches dazu auch noch LTE beherrscht. Bei Ebay kriegt man es im gebrauchten Zustand mit ein bisschen Verhandlungsgeschick schon für kaum mehr als 100 Euro.

Der 6 Zoll Bolide ist zudem Teil des Windows Insider Programms, somit ist Windows 10 Mobile auch auf diesem Gerät kein Fremdwort.

Sollte ich heute noch ein Lumia 1320 kaufen? 

In einem Preisvergleich-Portal bin ich durch Zufall wieder auf das Lumia 1320 aufmerksam geworden. Nicht weil ich es schon immer so besonders toll fand, sondern weil ich bei dem Preis ein wenig irritiert war: 156 Euro für ein Gerät dieser Größe?

Und genau das ist der Punkt – seine Größe. Sie harmoniert nur teilweise mit den restlichen Spezifikationen. Es war der offensichtliche Kompromiss aus zwei Welten, ein 625 / 1520 Zwitter, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, auch den kleinen Geldbeutel ganz groß aussehen zu lassen.

Mittlerweile hat Microsoft die vierstelligen Modellnummern abgeschafft und ziehen wir etwas mehr als ein Jahr nach Erscheinen des Lumia 1320 das Lumia 640 XL zum Vergleich heran, ist dieses bei minimal kleinerem Display in vielen Punkten ganz klar überlegen. Akku beim 1320? Nicht wechselbar. Kamera? Bescheiden. Gewicht? Suboptimal.

Warum also – und ich stelle mir diese Frage beim verfassen dieser Zeilen immer wieder – noch ein Lumia 1320?

Nun, dies lässt sich vielleicht eher unter rein nostalgischen Gesichtspunkten begründen: Es ist ein Nokia, ein Nokia Lumia mit einem mächtigen 6 Zoll Display. Eines von nur zwei Geräten, welches die Finnen damals fertigten, um Windows Phone in eindrucksvoller Größe einer breiten Masse schmackhaft zu machen. Und das gelang Ihnen auch bei phänomenalen Akkulaufzeiten, nur eben von Vielen ziemlich unbemerkt.

Denn so war das 1320 zu sehr ein Kompromiss, als dass man es zu irgendeinem Zeitpunkt hätte als das Must Have-Lumia bezeichnen wollen.

Und genau das veranlasste mich dazu, diesen Beitrag hier zu verfassen: Es ist ein Lumia mit Sonderstatus. Niemals wirklich besonders toll, aber beeindruckend genug gewesen um es vor dem Erscheinen einer neuen Generation von Lumias neu zu besprechen und somit in guter Erinnerung zu behalten.

Danke Nokia.

Weitere Folgen der Faktenkunde 

In der Reihe Die große Windows-Faktenkunde sind bisher diese Folgen erschienen:

Folge 1: Jenseits von Lumia – Die Windows Phones „der Anderen“
Folge 2: Das Interview: „Bye Bye Apple – Wieso mein nächstes Smartphone ein Lumia wird“
Folge 3: Hemmungslose Live Tile-Liebe – Die Windows Phone-Startseite im Wandel der Zeit

In der zuvor veröffentlichten Reihe Die große Lumia-Faktenkunde sind diese fünf Folgen erschienen:

Folge 1: Von flachen Flundern und dicken Dingern
Folge 2: A Glance Screen Love Affair oder Das Lumia 640 Blick-Debakel
Folge 3: Die Lumia 800 Story oder Das Geheimnis des bösen Zwillings
Folge 4: Die Frontkamera des Grauens oder 5 MP sind nicht genug
Folge 5: 20 wissenswerte Fakten aus der Welt der Lumias