Heute habe ich etwas sehr Besonderes für euch: Nicht nur ist My Memory of Us ein sehr spezielles Indie-Game, auch hatte ich auf der Gamescom 2018 die Gelegenheit, mit einem der Entwickler ein ausgedehntes persönliches Gespräch über das Spiel und dessen Entwicklungsprozess zu führen. Kann sich das Spiel jedoch gegen die starke Konkurrenz auf dem Markt durchsetzen und mit besonderen Aspekten sowie eigenen Ideen überzeugen? Ich habe es für euch getestet: Dies ist mein Review von My Memory of Us.
Story
Die Story dreht sich um die Protagonistin, welche der Spieler steuert. Als sie ein Fotoalbum auf dem Dachboden des Erzählers entdeckt, bittet sie ihn, von den Geschichten der Fotografien zu erzählen. Das weitere Spiel handelt von der Zeit, welche der Erzähler mit seiner Freundin in der Vergangenheit erlebt hat. Dies ist der Punkt, an dem der Spieler sowohl den Erzähler als auch seine Freundin im Kindesalter steuert und ihre Geschichte erneut erlebt. Alles beginnt, als man sich in der Haut des Jungen wiederfindet und auf den Dächern der Stadt vor der Polizei flieht. Da es keine Kämpfe im Spiel gibt, ist es sehr stark von Schleich-Elementen geprägt.
My Memory of Us gedenkt den Helden, die während des Zweiten Weltkriegs um die Ghettos des von den Deutschen besetzten Polen herum kämpften, während der Spieler den Weg der beiden Protagonisten verfolgt, deren Leben sich dramatisch durch diese Ereignisse ändert. Somit wird hier eine tragische Geschichte erzählt, die auf sehr attraktive Art und Weise in ein charmantes 2.5D-Puzzle-Game verpackt ist. So werden keinerlei nationalsozialistische Symbole benutzt: Die Besetzer werden als eine böse Roboter-Armee dargestellt, die vom Roboter-König angeführt wird.
Erzähler
Alleine der Erzähler leistet außergewöhnlich gute Arbeit. Das macht dann umso mehr Sinn, wenn man erfährt, wer diesen spricht: Patrick Stewart. Die narrative Struktur sticht umso mehr heraus, da es im Spiel keine Voice-Overs gibt. Stattdessen kommunizieren alle Charaktere via Sprechblasen, die statt Worten verschiedene kleine Symbole beinhalten, welche die Aussagen, Gefühle und Emotionen der Charaktere widerspiegeln. Man mag meinen oder denken, dass dies das Spiel verkompliziert. So ist es aber nicht: Auch wenn die Inhalte der Sprechblasen leichten Interpretationsspielraum bieten, ist es sehr ersichtlich, was ausgedrückt werden soll. Das Fehlen von Worten lässt ein viel immersiveres Spielerlebnis zu und so kann man sich vielmehr in die Story, die Charaktere und das Gameplay einfinden. Dieser Aspekt des Spiels zeugt davon, dass ich die Entwickler eingehend Gedanken gemacht haben. Dieses Konzept lässt sich nur als brillant beschreiben.
Gameplay
Das Spiel beginnt sehr harmlos: Man findet sich mit dem Hauptcharakter in einer nahezu leeren U-Bahn-Station wieder. Dies ist der Zeitpunkt, an dem der Spieler die grundlegenden Steuerungselemente erfährt. Auch hier bedarf es weniger Worte – das Tutorial wird hauptsächlich mittels Symbolen wie den Controller-Buttons oder Pfeilen dargestellt. Komplexere Erklärungen werden jedoch ausgeschrieben.
Neben Schleich-Elementen und Rätsel-Einlagen ist die Steuerung der beiden Hauptcharaktere der zentrale Punkt des Gameplays. Nicht nur kann man zwischen den beiden Protagonisten wechseln, man kann auch die Hand des Jungen oder des Mädchens nehmen, damit sie einem folgen. Hinzu kommt, dass beide Charaktere spezielle Fähigkeiten besitzen. So kann sich das Mädchen schneller bewegen, indem es rennt, der Junge wiederum kann schleichen und sich somit besser verstecken. Wenn der Junge das Mädchen an der Hand hält kann er auch dafür sorgen, dass beide zusammen schleichen. Das Mädchen hingegen ist aufgrund ihres höheren Alters stärker als ihr Freund und kann ihn so an höher gelegene Stellen heben. Diese Aspekte sorgen für eine sehr umfassende Spielerfahrung, die zwar nicht von der Story und den Charakteren ablenkt, aber den Spieler genug auf Trab hält und ihn immer wieder herausfordert.
Generell gibt es wirklich wenig Negatives über das Spiel zu sagen. Ein Aspekt, der mir aufgefallen ist, ist die teilweise fehlerhafte Übersetzung der kurzen Tutorial Texte. Hier würde ich mir eine kleine Überarbeitung wünschen – da diese Texte aber sehr spärlich vorkommen, stellen sie meiner Ansicht nach kein großes Problem dar. Auch besitzt das Spiel ein eher langsames Tempo. Das ist zwar kein Nachteil, muss aber erwähnt werden, da es nichts für alle Gamer ist. Für das Spiel muss man sich etwas Zeit nehmen – insbesondere für die Schleich-Sequenzen, die eher strikte Zeitfenster bieten und somit schnell zu Fehlern führen.
Hintergrund
Wie bereits eingangs erwähnt habe ich durch ein sehr angenehmes Gespräch auf der Gamescom diesen Jahres einige Informationen von einem der Entwickler enthalten. Das Developer-Team von Juggler Games besteht aus sechs Personen. Dieses Team wurde speziell dafür eingesetzt, um Geschichten zu erzählen, was sie mit My Memory of Us definitiv tun. Die Entwicklung des Spiels hat zweieinhalb Jahre in Anspruch genommen. Auf meine Frage hin, warum kein Coop-Modus implementiert wurde, antwortete er, dass solch ein Feature zu groß für das kleine Team wäre. Außerdem würde es der Immersion des Spiels schaden.
Das Spiel ist eine Allegorie auf den zweiten Weltkrieg aus der Sicht der polnischen Bevölkerung. Das konnte das aus Polen stammende Team besonders gut umsetzen – die Familienmitglieder einiger Entwickler waren hierfür sicherlich die beste Quelle. Ein Kapitel des Games dreht sich sogar um eine wahre Geschichte, die der Großvater eines Entwicklers selbst erlebt hat.
Grafik
Der Grafikstil ist minimalistisch und doch mit Liebe zum Detail ausgearbeitet. Alles ist in schwarz und weiß gehalten – nur bestimmte Elemente sind in rot dargestellt. Diese Entscheidung der Entwickler bedient zwei Aspekte: Nicht nur ist es grafisch äußerst ansprechend und erinnert an Noir-Filme, sondern es ist auch direkt mit dem Gameplay verbunden: So zeigen einem in rot gehaltene Elemente den Weg zum nächsten Ziel oder unterstützen den Spieler bei der Lösung von Rätseln. Es lässt sich klar sagen, dass das Spiel wirklich schön ist. Es fängt den Geist der Story und der Welt ungemein gut ein und ist künstlerisch sehr wertvoll – es ist im Stile von Bleistiftzeichnungen gehalten und somit äußerst ansehnlich. Auch hier merkt man, wie viele Gedanken sich die Entwickler gemacht haben. Insgesamt erinnert der Stil etwas an ein düsteres Märchen.
Performance
Ich kann ruhigen Gewissens behaupten, dass die Performance von My Memory of Us nahezu perfekt ist: Nicht nur das Game lief während der gesamten Spielzeit flüssig, sondern auch die Bedienung des Guides stellte keine Probleme dar, sodass das Aufnehmen von Screenshots und Videos unkompliziert war. Auch Framerate-Probleme, Bugs, Glitches, Abstürze oder ähnliche Probleme waren Fehlanzeige.
Mein Urteil
My Memory of Us ist etwas sehr Besonderes: Durch das etwas langsame Tempo ist das Spiel zwar nicht für jeden Gamer geeignet, aber in nahezu jeder Facette sehr durchdacht und mit viel Liebe zum Detail geschaffen. Allen Gamern, die besondere Indie-Games, sehr ansprechende Grafik und Puzzle-Elemente bevorzugen, kann ich für das Spiel eine klare Kaufempfehlung aussprechen. Jedoch lege ich es auch allen anderen ans Herz – spätestens in einem Sale lohnt es sich, das Spiel einmal anzusehen.
Das Game ist eine relativ kurze Angelegenheit – der Zeitumfang beträgt ungefähr sechs bis acht Stunden. Dennoch kann ich mich nicht über diese Spielzeit beschweren – die verschiedenen Rätseltypen besitzen genau die richtige Länge. My Memory of Us macht sehr viel Spaß – die Entwickler haben das Spiel ungemein gut ausgearbeitet und ein sehr schweres Thema sehr zugänglich dargestellt.
Dieser Review basiert auf einem Code, der mir von Juggler Games und Crunching Koalas zur Verfügung gestellt wurde.
Hat euch mein Review Lust auf das Spiel gemacht? Teilt es mir in den Kommentaren mit!