„Windows Lite“ und „Centaurus“ – Wieso ich mich beim Surface Event auf einen riesigen Kompromiss einstelle

Mein Verhältnis zu Microsoft ist gespalten – das war nicht immer so. Als wir Ende 2014 mit WindowsUnited an den Start gingen, kannte mein Fanboytum kaum Grenzen. Windows Phone befand sich in der Blütezeit und das Gefühl, dass wir einen Beitrag dazu leisten könnten, ein drittes mobiles Betriebssystem zu etablieren, war unbeschreiblich schön.

Bevor Windows Phone auf den Markt kam, war ich nie ein besonders großer Windows-Desktop-Fan. Für mich war dieses traditionelle Computerbetriebssystem vor allem etwas für Schlipsträger. Ich verband damit eintönige Arbeit, endlose Excel-Tabellen und vor Müdigkeit schmerzende Augen. Windows hatte nichts frisches und aufregendes, das mich als junger Mensch hätte einfangen können. Windows Phone und später Windows 8 faszinierten mich, weil sie so radikal gegen das gingen, was Microsoft bis dahin für mich darstellte – Langeweile.

Fast fünf Jahre sind seitdem vergangen und wir wissen alle, wie die Geschichte geendet ist. Windows 8 gilt als größter Flop seit Vista, als Ausrutscher, dessen progressive Gene durch Windows 10 ausgelöscht worden sind. Windows Phone wurde zum Milliardengrab für Microsoft und stellt eine Zäsur in der strategischen Ausrichtung der Redmonder dar.

Nun naht das Surface Event am 2.Oktober (Livestream hier) und die Zeichen verdichten sich, dass es anders werden könnte als „business as usual„. Neben einer neuen, noch nicht näher definierten Version von Windows, die man in der Communtiy pragmatisch „Windows Lite“ getauft hat, soll auch eine völlig neue Gerätekategorie erscheinen. „Centaurus“ soll Microsofts erstes Surface mit faltbarem Display werden – ein Hybrid aus Tablet, Telefon und PC.  

Auch wenn ich mir sehnlichst wünsche, dass Microsoft gleich zwei radikale Neuerungen präsentiert, befürchte ich leider einen großen Kompromiss.

Außen „Hit Refresh“, innen „Rinse, repeat“

Satya Nadella, CEO von Microsoft, hat das Unternehmen seit seiner Amtsübernahme 2014 kulturell umgekrempelt. Seine Philosophie, die er im Buch „Hit Refresh“ erklärt, ist einfach: Sei ein „Lerner„, kein „Könner„. Lernen ist ein fortwährender Prozess, während Können ein Zustand ist. Dieses Credo hat auch Auswirkungen auf die strategische Positionierung des Unternehmens und Türen geöffnet, die man nie für möglich gehalten hätte (Microsoft ❤ Linux, der GitHub-Kauf, etc.).

Allerdings, und das sollte man trotz des ganzen „Chakka, du schaffst es„-Mantras nicht vergessen, ist Microsoft ein riesiger Technologiekonzern, dessen primäres Ziel das Geld verdienen ist. Und wenn man genau hinschaut, dann hat Nadella vor allem unprofitable Geschäftszweige eingestampft und eine konservative und nüchterne Fahrtrichtung eingeschlagen. 

Windows Lite wie es wohl nie aussehen wird – Credit: @majid_rangraz

Der Businessbereich ist Microsofts Hauptaugenmerk, das wird in jeder seiner Sparten deutlich. Das Cloudgeschäft ist vor allem so erfolgreich, weil man durch die „Hybrid Cloud“ Bestandskunden langsam abholen kann. Das Surface Pro, ehemals ein Aushängeschild für Innovation, ist schon lange ausentwickelt und in Teilen schon angestaubt – ein Folge des Businessfokus, einem Bereich der traditionell nur wenig Veränderung bevorzugt.

Neue Projekte, die etwas von der Kernzielgruppe abweichen, werden (mutmaßlich) wegen geringer Nachfrage vernachlässigt und schlussendlich eingestampft. Beispiele wären Windows Mixed Reality, Windows 10 S (Modus) oder das UWP-Konzept für Apps.

Und jetzt soll ausgerechnet etwas kommen, dass den Ballast der Vergangenheit abwirft und eine neue Gerätekategorie etabliert, nach der niemand gefragt hat und die bislang keine offensichtlichen Probleme löst.

Ich befürchte, dass es eher so ablaufen wird: „Windows Lite“, was nur in Grundzügen vorgestellt wird, stellt nur eine leichte Entschlackung des Betriebssystems dar. Weder optisch noch funktional werden wir eine große Revolution erleben, die nötig für ein modernes, schlankes und flinkes OS für Endverbraucher nötig wäre.

Surface „Centaurus“ wird interessant und hardwareseitig beeindruckend sein. Nach 12-24 Monaten wird das Projekt allmählich an Wichtigkeit verlieren, weil die Nachfrage nicht hoch genug ist.

Ich hoffe sehr, dass ich mich irre. Aber ich sehe aus Microsoft-Sicht weder die dringende Notwendigkeit, noch die nötige Weitsicht und Hingabe, um ein neues Kapitel des „Mobile Computing“ aufzuschlagen.

Unities: Wie seht ihr die Sache?