Windows 10 kommt. Nur, für wen?
Windows 10 soll das Betriebssystem werden, das sie alle vereint: PC’s, Laptops, Tablets, Phone. Mit der nächsten Version seines Betriebssystems will Microsoft alle Geräte auf einer Plattform, mit einem App-Store zusammenführen.
Was die Erwartungen an Windows 10 betrifft, scheinen Desktop User und Phone User derzeit aber in zwei Lager zu zerfallen.
Bei den Leuten, die bei „Windows“ zuallerst an ein Betriebssystem für Desktop und Laptop denken, scheint die Vorfreude auf das kommende Update zu überwiegen, das verspricht, die Fehler und Schwächen des von vielen ungeliebten Windows 8 auszubügeln.
Wenn ich auf die Windows Phone Community blicke, sehe ich im Gegensatz dazu viel mehr Skepsis. Das ist auch durchaus verständlich. Erstens haben wir von der Desktop-Version von Windows 10 immerhin schon eine Demo gesehen und eine halbwegs brauchbare Technical Preview. Von Windows 10 auf dem Smartphone haben wir bisher überhaupt noch nichts gesehen. Der Nachfolger von Windows Phone 8 existiert für uns alle bisher nur in der Theorie und ist damit eine Projektionsfläche für allerlei Hoffnungen, aber auch Ängste. Dabei ist für uns mobile User weit weniger klar, welche Verbesserungen wir uns überhaupt von Windows 10 erwarten dürfen – abgesehen vielleicht von der vagen Hoffnung auf einen praller gefüllten App-Store durch die Einführung von „Universal Apps“.
Vor allem aber scheint bei vielen Windows Phone User derzeit die Sorge vorzuherrschen, dass sie beim Übergang von Windows Phone 8.x zu Windows 10 gänzlich auf der Strecke bleiben könnten. Während bei Desktop PCs eine neue Windows Version in der Regel nicht mit höheren Hardware-Anforderungen einhergeht (eher ist das Gegenteil der Fall), ist im mobilen Bereich weit weniger vorhersehbar, welche Endgeräte überhaupt ein Update auf Windows 10 erhalten werden. Der Release von Windows 10 ist zwar noch mindestens ein Jahr hin, wer heute ein neues Lumia Smartphone kauft, der möchte aber trotzdem gerne wissen, dass er auch in 1-2 Jahren noch die aktuellste Version des mobilen Betriebssystems erhalten wird.
In diesem Sinne warnte auch Digital Trends in einem vielbeachteten Artikel, dass Microsoft’s mobile Plattform – nach dem Übergang von Windows Mobile auf Windows Phone 7 und dem Übergang von Windows Phone 7 auf Windows Phone 8 – einen weiteren „Neustart“ nicht überstehen könnte.
Auch in unseren letzten beiden Podcasts wurde über dieses Thema hitzig diskutiert. Ich habe mich dabei redlich bemüht, meine Kollegen davon zu überzeugen, dass die Sorgen – größtenteils – unbegründet sind. Den Reaktionen nach zu urteilen, konnte ich aber weder meine Mit-Diskutanten in unserem Podcast, noch viele unserer Leser wirklich beruhigen.
Aus diesem Grund möchte ich hier nochmal auf die wichtigsten Fragen rund um das Windows 10 Update für Phones eingehen. Es wird zwar noch lange dauern bis wir verlässliche Informationen darüber haben, welche Endgeräte in den Genuss der nächsten Windows (Phone) Version kommen werden. Ich glaube aber, dass ein Blick auf die Fakten zeigt, dass der Übergang von Windows 8 zu Windows 10 weit weniger schmerzhaft werden wird, als die Pessimisten heute behaupten.
Wird Windows 10 wirklich das neue Windows Phone?
Ja, der Nachfolger von Windows Phone 8.x wird Windows 10 heißen. Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass auf einem Lumia 930 dasselbe Betriebssystem laufen soll, wie auf einem Desktop PC. Wahrscheinlicher scheint aus heutiger Sicht, dass sich die Phones eine Windows Installation mit den Tablets teilen werden, auf denen aktuell Windows RT läuft.
In diesem Szenario gäbe es also ein Windows 1o für PCs, Laptops und 2-in-1 Geräte wie die Surface Pro, die allesamt mit x86 Intel-Prozessoren laufen. Für Phones und Tablets mit ARM-Prozessoren gäbe es hingegen eine andere Version von Windows 10, von der wir eine erste Preview wohl frühestens im Frühjahr 2015 sehen werden. Siehe dazu auch folgenden Tweet von Windows Phone Chef Joe Belfiore:
Die Tatsache, dass Microsoft offenbar in jedem Fall an einer Windows 10 Version arbeitet, die mit ARM-Prozessoren kompatibel ist, widerspricht zumindest schonmal dem worst case Szenario, wonach die Redmonder mit Windows 10 den großen Schnitt machen und die aktuellen ARM-Geräte gänzlich zurücklassen könnten.
Welche Smartphone Modelle erhalten ein Update auf Windows 10?
Das ist natürlich die entscheidende Frage. Und es kann noch lange dauern, bis wir darauf eine endgültige und detaillierte Antwort bekommen werden. Der Pessimist sagt dann natürlich: bis die ersten Windows 10 Phones auf den Markt kommen, ist jedes Windows Phone ein potentielles Auslaufmodell. Andererseits – und das ist die optimitsichere Sichtweise – sind derzeit auch keine Gründe bekannt, die dafür sprechen würden, dass gewisse Smartphone oder Tablet-Modelle definitiv nicht mit Windows 10 kompatibel sein werden.
Aus common sense Sicht kann man natürlich sagen, dass man mit mindestens 1GB Arbeitsspeicher und 8GB internem Speicher wahrscheinlich besser für die Zukunft gerüstet sein wird als mit 512 MB RAM und nur 4GB Speicher. Das gleiche gilt für moderne Qualcomm Prozessoren (Snapdragon 400 oder besser) im Vergleich zu älteren Prozessor-Architekturen (Snapdragon 200 oder S-Serie) oder exotischeren Chipsätzen. Aber das sind im Moment alles Spekulationen und in der Vergangenheit waren auch sogenannte Oberklasse-Geräte nicht immer eine Garantie für einen langen Support-Zyklus (siehe dazu auch den Punkt „Warum sollte das Update auf Windows 10 besser funktionieren als von WP 7 auf WP 8?“).
Auf der ersten Pressekonferenz zu Windows 10 wurden Joe Belfiore und Windows-Chef Terry Myerson natürlich mit der Gretchen-Frage konfrontiert. Leider gibt es von dieser Q&A-Session keine Video-Aufnahme. Deshalb sind wir auf die Berichte von fleißigen Bloggern und Journalisten angewiesen, wenn wir wissen wollen, was die beiden offiziellen Stimmen im Namen von Microsoft geantwortet haben. Tom Warren von The Verge gibt die entscheidenende Stelle zum Beispiel folgendermaßen wieder:
Q: What happens to ARM-based Surfaces?
A: We’re building the software to update vast majority of devices out there.
A: Our general intent is to make this available as an update for the vast majority of devices.
Wie ihr seht, betrifft die entscheidende Frage hier zunächst Microsoft’s Surface Tablets mit ARM Chips. In der Antwort ist aber allgemeiner von Devices, also Geräten die Rede. Auch die Windows-Gurus Mary Jo Foley und Pault Thurrott sagten beide auf ihrem Podcast Windows Weekly, dass Terry Myerson sich hier auch – oder sogar hauptsächlich – auf Windows Phones bezogen hätte.
Also: „Wir entwickeln die Software um die große Mehrheit an Geräten upzudaten.“ Das ist die Aussage, die aktuell steht und auf die man Microsoft in Zukunft festnageln kann.
Warum gibt Microsoft keine Update-Garantie, zumindest für die aktuellsten Lumia Geräte?
Aus mehrern Gründen. Der wichtigste davon ist, dass Microsoft bei Smartphones den Update-Prozess gar nicht selber in der Hand hat. Vor allem in den USA ist die überwiegende Mehrheit der Geräte an Netzprovider gebunden, die die Updates für ihre jeweiligen Modelle absegnen, anpassen und ausliefern müssen. Und bis jetzt haben sich die großen Carrier in Sachen Support für Windows Phones nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Von den ganzen anderen Herstellern, die ihre Windows Phones mit den nötigen Firmware-Updates versorgen müssen, ist hier noch gar nicht die Rede. Global betrachtet, gehen die möglichen Varianten von Windows Phone Modellen und Netzbetreiber in die Tausende. Eine pauschale Aussage über zukünftige Updates ist schon aus diesem Grunde unrealistisch. Vor allem aber kann Microsoft von sich aus gar keine Bestandsgarantien aussprechen, weil hier noch viele andere Parteien ihre Finger mit im Spiel haben.
Zweitens ist der Entwicklungsprozess von Windows 10 für ARM Geräte – insbesondere Phones – wohl nicht weit genug fortgeschritten, um sich auf Hardware-Anforderungen oder Kompatibilitäten mit bestimmten Chipsätzen festzulegen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass hier große Hürden zu überwinden sind. Wer die Unwägbarkeiten eines so großen Software-Projektes kennt, der weiß aber, dass es unklug wäre, in einem so frühen Stadium schon große Versprechungen zu machen.
Drittens und letztens kann es sich Microsoft gegenüber den anderen OEMs, die sie für Windows Phone gewonnen haben oder noch gewinnen wollen, nicht erlauben eine Update-Garantie für die eigenen Geräte auszusprechen Das würde die Wahl für ein akutelles Windows Phone von HTC oder Blue oder irgendeinem anderen Hersteller (mehr noch als ohnehin schon) als Risiko erscheinen lassen.
Warum sollte das Update auf Windows 10 besser funktionieren als von WP 7 auf WP 8?
Ein amerikanisches Sprichwort sagt: „Fool me once, shame on you. Fool me twice, shame on me.“ Als Microsoft seine mobile Plattform das letzte Mal umgekrempelt hat – von Windows Phone 7.5 auf Windows Phone 8.0 – sind eine Reihe von Smartphones auf der Strecke geblieben. Mit dem Lumia 900 hat damals ausgerechnet auch das Spitzenmodell von Nokia kein Update auf die neue Version von Windows Phone erhalten.
Wer dieses Debakel erlebt hat, ist gewissermaßen ein gebranntes Kind und verständlicherweise misstrauisch, wenn im kommenden Jahr der nächste „Reboot“ von Windows Phone bevorsteht.
Aber die damalige Situation ist mit der heutigen nicht vergleichbar. Mit dem Übergang von Windows Phone 7 auf Windows Phone 8 wurde nämlich die ganze Software-Architektur verändert, von einem Windows CE Kernel, der noch von Windows Mobile geerbt wurde, auf das heutige Windows NT, auf dem auch Windows 10 basieren wird. Gefühlt (und auch mathematisch), mag der Schritt von Windows Phone 8 auf Windows 10 ein größerer sein. Technisch war aber die Einfühung von Windows Phone 8 der radikalere Umbruch. Damit hat Microsoft aber schon damals die Grundlage für eine „vereinheitlichte“ Windows-Pattform gelegt, die bald mit Windows 10 Realität werden soll.
Will Microsoft die Entwicklung von ARM Geräten nicht ohnehin einstellen?
In Sachen Tablets gab es hier zuletzt wiedersprüchliche Gerüchte. Einige Quellen sprachen davon, dass Microsoft noch in diesem Jahr eine ARM-Version der Surface 3 und womöglich auch eine Surface mini herausbringen wird. Andere behaupten, dass Microsoft die Surface RT ganz einstellen wird und in Zukunft bei der Surface-Reihe nur noch auf Intel Chips setzt. Ich halte letzteres Szenario für deutlich wahrscheinlicher.
Bei den Phones laufen aktuell aber alle Windows Phones mit ARM-Prozessoren. Und auch wenn Intel-Chips für mobile Geräte in Sachen Leistung und Energieeffizienz große Fortschritte gemacht haben, sieht es nicht so aus, als würde sich daran in naher Zukunft etwas ändern. Allein schon um zumindest einige der aktuellen Windows Phones updaten zu können, wird Microsoft also eine mit ARM-Geräten kompatible Version von Windows 10 entwickeln und entwickeln müssen.
Was die Zukunft angeht, würde natürlich eine Festlegung auf Intel-Prozessoren das weitere Zusammenwachsen der Windows Plattform deutlich vereinfachen. Andererseits ist es sehr fraglich, ob sich Microsoft hier einen Alleingang erlauben kann. In Sachen Tablets tendiert das Interesse des Marktes an Windows RT Geräten aktuell gegen Null. Solange die meisten OEMs bei Smartphones aber auf ARM-Prozessoren setzen, wird Windows 10 diese Architektur auf die ein oder andere Weise unterstützen müssen, um es Herstellern möglichst leicht zu machen, Geräte für die Windows Plattform zu entwickeln oder zumindest anzupassen (wie es etwa HTC aktuell mit dem ONE M8 for Windows macht).
Fazit:
Windows 10 wird in nicht allzuferner Zukunft Windows Phone ersetzen. Doch welche der bis dahin gekauften Windows Phones werden tatsächlich ein Update erhalten? Es wird noch lange dauern, bis wir darauf eine verbindliche Antwort erhalten. Das Fehlen einer solchen, ist aber kein Grund gleich vom worst-case Szenario auszugehen. Wie bei jedem großen Update werden mit der Einführung von Windows 10 einige Smartphone-Modelle auf der Strecke bleiben. Microsoft hat aber angekündigt, dass die „überwiegende Mehrheit“ der Geräte ein Update erhalten wird. Aktuell gibt es keinen Grund, an dieser Aussage zu zweifeln.
Besten Dank für die Ausführungen! Allein der Tweet von Joe ist natürlich Gold wert. Frage mich, warum MS nicht glasklar von Anfang an kommuniziert: „Win 10 wird weiter als x86 und ARM kommen“?
Aber so ist meine Skepsis deutlich gesunken und wir kommen zurück zu der Frage, welche Geräte mit „rübergenommen“ werden. Wenn da was liegen gelassen wird, ist das zwar Schade, aber kein Drama.
Ach MS, warum einfach wenn es auch verunsichernd und kompliziert geht?!
Danke an Königstein, dass du den Tweet ausgegraben hast 🙂
Ich glaube Microsoft hat das nicht klar kommuniziert, weil es erstens nie wirklich zur Debatte stand (außer für Leute wie uns, die MS alles zutrauen 🙂 ). Und zweitens, weil die wichtigste Message im Moment „ONE Windows“ lautet. Vor allem wollen sie, denke ich, den Eindruck vermeiden wollen, es gäbe doch ein Windows 10 RT neben dem „richtigen“ Windows 10.
Aber freut mich, wenn die Sorgen ein bisschen lindern konnte…