In den letzten Tagen gab es viele Diskussionen darüber, ob Google den neuen Chromium Edge Browser von Microsoft absichtlich sabotiert. Es ist nicht das erste Mal, dass derartige Vorwürfe laut werden.
Vor diesem Hintergrund, ist die „Beichte“ des ehemaligen YouTube Ingenieurs Chris Zacharias besonders brisant. Auf seinem Blog erzählt der frühere Google Mitarbeiter, wie er mit einer Gruppe YouTube Entwickler vor rund 10 Jahren einen Plan schmiedete, um Microsofts Internet Explorer 6 vom Markt zu fegen.
Der Plan war sehr einfach. Wir würden ein kleines Banner über dem Videoplayer platzieren, der nur IE6-Benutzern angezeigt wird. Dort würde stehen: „Wir werden den Support für Ihren Browser in Kürze einstellen. Bitte aktualisieren Sie auf einen dieser moderneren Browser.“ Neben dem Text befinden sich Links zu den aktuellen Versionen der wichtigsten Browser, darunter Chrome, Firefox, IE8 und schließlich Opera. Der Text war absichtlich vage und die Zeitspanne blieb völlig undefiniert. Wir hofften, dass das bedrohlich genug ist, um Benutzer zum Upgrade zu motivieren, ohne dass wir uns zu einem konkreten Plan zum Supportende verpflichten müssen.
Damals, im Jahre 2009, war bereits der Internet Explorer 8 verfügbar. Der Internet Explorer 6 hatte allerdings immernoch einen Marktanteil von rund 18% und die YouTube Entwickler waren genervt davon, den in die Jahre gekommenen Browser weiter supporten zu müssen. Also entschlossen sie sich, die IE6 User zu verschrecken. Zacharias selbst spricht mehr oder weniger ernsthaft von einer „Verschwörung“.
„Wir sahen eine Gelegenheit vor uns, IE6 dauerhaft lahmzulegen, die wir vielleicht nie wieder bekommen würden.“
Die Entwickler nutzen dabei spezielle Berichtigungen namens „OldTuber“ aus, die es ihnen ermöglichte, direkt Änderungen an der YouTube-Codebasis vorzunehmen, mit minimaler Kontrolle von Oben.
Google Ingenieure drängten IE 6 vom Markt
Die vermeintliche Entscheidung von YouTube, den Internet Explorer 6 aufs Altenteil zu stellen, hatte eine Signalwirkung. Zuerst interessierte sich Google’s PR-Abteilung für den Schritt, die internationale Tech-Presse berichtete überwiegend positiv. Dann folgten andere Google Abteilungen dem Beispiel, etwa das Google Docs Team, das ebenfalls ein Supportende für IE 6 ankündigte. Anwälte des Technologie-Konzerns protestierten kurzzeitig aus Angst vor wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen und Kartellstrafen, waren aber besänftigt, als das YouTube Team erklärte, dass alternative Browser in zufälliger Reihenfolge angeboten werden, also keine unrechtmäßige Bevorteilung von Google’s eigenem Chrome Browser stattfindet.
Der Plan der YouTube Rebellen war letztlich erfolgreich. Innerhalb nur eines Monats halbierte sich der Anteil der YouTube Nutzer mit IE 6, der weltweite Traffic mit dem Browser brach um 10% ein. In der Folge sank der Marktanteil kontinuierlich weiter, bis er schließlich im April 2012 unter 1% fiel. Der Internet Explorer 6 galt offiziell als tot.
Nun könnte man sagen, dass der Zweck die Mittel heiligt und es in diesem Fall nur darum ging, Nutzer zu einem sinnvollen Update zu bewegen. Der Internet Explorer 6 war ja tatsächlich veraltet und sogar Microsoft feierte letztlich seinen Tod. Außerdem wollen wir mal nicht vergessen, wie Microsoft damals im berüchtigten „Browserkrieg“ mit Netscape umgegangen ist (wofür die Redmodner allerdings auch heftige Geldstrafen zahlen mussten). Aber die Marktmacht von Google im Allgemeinen und YouTube im Besonderen ist doch erschreckend.
Wenn schon eine „Guerilla-Truppe“ von ein paar Entwicklern einen solchen Einfluss auf die weltweite Internetnutzung hat, wer sollte Google als Ganzes stoppen, wenn der Gigant einen Konkurrenten klein halten oder vom Markt drängen will?
(Bild-)Quelle: blog.chriszacharias.com via TheVerge
Beitragsbild: Symbolfoto (Rachit Tank / unsplash)
Na da überschätz sich jemand wohl gewaltig. Wahrscheinlich stiegen die Leute genau so wie heutzutage einfach auf die neue Version um. Nix Verschwörung, höchstens Grössenwahn.
Aber genau das war doch das Ziel. Es war doch egal ob Chrome, FF oder IE8. Sie wollten den IE6 nicht mehr supporten, weil dieser total veraltet war und sich kaum an zu der Zeit aktuell Webstandards hielt. Das alte zum Chrome wechseln war ja gar nicht das Ziel.
Alles egal. Der Einsatz war lobenswert. IE 6 musste sterben.
In Anbetracht der Tatsache, dass es bereits aktuellere Browser gab, die auch sicherer waren (bzw. sein sollten), ist das natürlich nicht weiter tragisch. Aber im Grunde hast Du schon recht: Youtube ist einer der wichtigsten Dienste/Plattformen mit einer entsprechenden Anzahl von Usern. Wenn Google hier irgendwas androht, dann werden etliche Leute mitziehen.
Viel spannender finde ich aber die Sicht auf das Vorgehen heute. Wann und wie oft werden bei den Google-Diensten Banner bzw. Nachrichten angezeigt á la „Nutz doch einen schnellen und sicheren Browser wie Google Chrome“ und wie leicht sind die User dadurch beeinflussbar?
„Wenn schon eine „Guerilla-Truppe“ von ein paar Entwicklern einen solchen Einfluss auf die weltweite Internetnutzung hat, wer sollte Google als Ganzes stoppen, wenn der Gigant einen Konkurrenten klein halten oder vom Markt drängen will?“
Genau das. Marktmacht und Monokultur sind gefährlich. Vielfalt zählt. Haben die meisten Leute nur nicht verstanden.
Die Leute schon. Nur wo seid denn die Mitbewerber, die gleiches oder besseres anbieten?