Es ist Sommer. Es sind Sommerferien. Es ist Urlaubssaison. Und wohin zieht es die Deutschen am liebsten? In EU-Staaten. Besonders beliebt sind beispielsweise Italien oder die Balearen. Doch auch ein Trip nach Schweden oder Wandern in den Schottischen Highlands sind sicher auch drin. Natürlich möchte man im Ausland sein Handy nutzen, um Fotos und Videos direkt an Freunde und Verwandte zu senden. Seit dem 15. Juni 2017 ist die aktuelle Form der Roamingverordung der Europäischen Union. Doch was besagt diese, wo gilt sie und noch sehr viel wichtiger, wo gilt sie nicht?
Roam like at Home – EU + EFTA (ohne Schweiz)
Erst mal zu den Basics. Die EU-Roamingverordnung gilt erst mal grundsätzlich auf dem gesamten Gebiet der Europäischen Union. Sie ist auf alle Mobilfunktarife anwendbar, welche Roaming anbieten. Ein Mobilfunktarif ohne Datenroaming muss dementsprechend die Verordnung nicht abdecken. Zusätzlich zum Gebiet der Europäischen Union sind die EFTA-Länder Island, Norwegen sowie Lichtenstein Teil der Roamingverordnung. Die Schweiz ist es nicht.
Durch die Verordnung soll man den Tarif im EU-Ausland so nutzen können, wie im Inland. Das bedeutet, in den meisten Tarifen wird man sein reguläres inkludiertes Datenvolumen nutzen. Anrufe nach Deutschland kosten so viel wie im Inland und auch Anrufe in das Besuchsland sowie Anrufe in alle übrigen EU-Länder kosten so viel wie im Inland. Gleiches gilt für SMS. Aufpassen muss man, wenn man von Deutschland aus ins Ausland anruft, denn dann gelten die normalen Auslandstarife.
Fair-Use-Regelung
Bei den Datendiensten können die Netzbetreiber allerdings auch auf eine Fair-Use-Regelung setzen, die vor allem bei Tarifen mit unlimitiertem Datenvolumen zum Einsatz kommt. Die Fair-Use-Regelung besagt, dass dem Kunden ein Datenvolumen nach dieser Formel zusteht -> Monatspreis / Großhandelspreis x 2. Der aktuelle Großhandelspreis im Jahr 2019 beträgt 5,355 Euro pro Gigabyte.
Hält man sich länger in einem Land auf, so kann der Netzbetreiber intervenieren und einen Nachweise für eine zukünftige Hauptnutzung im Heimatland verlangen. Das ist möglich, wenn man den Tarif innerhalb von 4 Monaten überwiegend im Ausland genutzt hat. So soll verhindert werden, dass man sich in anderen Ländern günstig mit Tarifen eindeckt und diese dann Verluste machen, da man den Tarif permanent im Roaming nutzt.
Weitere Vorteile des Roamings sind die meist freie Netzwahl. So kann man sich zu jedem Zeitpunkt das aktuell am Besten verfügbare Netz aussuchen. Anders als im Heimatland können so beispielsweise Nutzer der Deutschen Telekom in Großbritannien sowohl bei EE als auch bei O2 – UK roamen.
Bordnetze auf Kreuzfahrtschiffen können teuer werden
Aufpassen muss man allerdings bei Bordnetzen sowie an Bord von Flugzeugen. Etwaige Mobilfunknetze, welche auf Kreuzfahrtschiffen ausgestrahlt werden, sind de fakto und de jure nicht Teil der Roamingverordnung und können bei Nutzung horrende Kosten nach sich ziehen. Diese Netze werden für gewöhnlich erst nach 2 Seemeilen (GSM und UMTS) oder 4 Seemeilen (LTE) aktiviert. Hier sollte man das Smartphone am besten in den Flugmodus versetzen.
„So soll verhindert werden, dass man sich in anderen Ländern günstig mit Tarifen eindeckt und diese dann Verluste machen, da man den Tarif permanent im Roaming nutzt.“ Im Prinzip verhindert diese Regelung den natürlichen Wettbewerb. Die Netzbetreiber behaupten, mit dieser Regelung ein Preisdumping verhindern zu wollen. Nonsens. Würde diese Regelung nicht bestehen, hätten wir endlich kundenfreundliche Preise in der gesamten EU. Wie kann es sein, dass ich bei Hofer Telekom in Österreich 6 GB LTE-Datenvolumen für 5,99 Euro erhalte, was mich in Deutschland bei ja mobile! schon 14,99 Euro und bei AldiTalk 19,99 Euro kostet? Die deutschen Gigabyte-Preise sind maßlos… Weiterlesen »
Naja. Bei einem Großhandelspreis von knapp 5€ pro Gigabyte treibst du einen ausländischen Netzbetreiber schnell in die Verlustzone. Stell dir vor, du buchst in Österreich einen Tarif für 15 Euro und verbrauchst jeden Monat 8 GB. Da macht der österreichische Netzbetreiber gar keinen Gewinn mehr dran sondern nur noch Verlust.
Um beim Beispiel von Hofer Telekom zu bleiben: Es handelt sich um das Netz der T-Mobile Austria, 100%ige Tochter der Deutschen Telekom. Kehre ich nach Deutschland zurück, roame ich im Netz der „Mutter“. Das Ganze bleibt ein Nullsummenspiel. Aber davon abgesehen, selbst wenn man zugrunde legt, dass es sich um zwei rechtlich unabhängige Unternehmen handelt, die jeweils auf eigene Rechnung arbeiten, warum kann ein Österreicher in seinem Heimatland 6 GB LTE-Datenvolumen nutzen, für 5,99 Euro, dennoch geht T-Mobile Austria davon nicht pleite. Als Deutscher zahle ich bei der Deutschen Telekom den mehrfachen Preis. Mit welcher Rechtfertigung, bitte? Weil man als… Weiterlesen »
HoT nutzt zwar das Netz von Magenta, aber gehört nicht dazu. Es ist immer noch ein eigenständiges Unternehmen, welches Roaming bei anderen Netzbetreibern bezahlt. So einfach ist das alles nicht.
Hofer Telekom ist ein Discounter, quasi der österreichische Aldi. Natürlich ist Hofer Telekom nur Provider, nicht Netzbetreiber. Aber warum kann Hofer Telekom mit T-Mobile Austria Preise für Mobilfunktarife aushandeln, von denen wir in Deutschland nur träumen können, und – vor allen Dingen – das, ohne dass T-Mobile Austria dabei pleite zu gehen droht?
Was hat das jetzt mit Roaming zutun?
Verkürzt gesagt: Die Roaming-Voraussetzungen sind doch viel zu limitiert. Diese sind so gestaltet worden, dass sich das ungerechte, insbesondere in Deutschland völlig überteuerte Tarifsystem, das sich etabliert hat, weiterhin halten kann. Die Roaming-Regeln mit den zeitlich limitierten Auslandsnutzungsmöglichkeiten + Strafaufschläge sind dafür gemacht worden, dass Konsumenten eben keine günstigeren SIM-Karten des Auslands dauerhaft günstiger nutzen können. Schlecht für die Konsumenten, gut für die miteinander verbandelten Netzbetreiber. Wettbewerb wird dadurch verhindert.
Dem Verbraucher wird aber glauben gemacht, Roaming sei die Errungenschaft schlechthin.