Laut Statista wird die Musikbranche im Jahr 2024 etwa 27 Milliarden Euro durch das Streamen von Musik einnehmen. Spotify ist der Marktführer unter den Streaming-Diensten, gemessen an der Zahl der zahlenden Abonnenten, gefolgt von Apple Music und anderen Anbietern. Doch die EU-Politikerinnen und Politiker sehen ein grosses Problem in der Musikindustrie: Das Geld wird nicht fair verteilt und landet hauptsächlich bei den grossen Stars, die ohnehin oft schon genug davon haben.
Klar, würden die grossen Stars, wie beispielsweise Taylor Swift, auf Plattformen wie Spotify fehlen, würden viele ihr Abonnement wohl kündigen und sich einen anderen Streaming-Anbieter suchen. Doch für Streams in diesem Fall quasi nur noch die Grossen zahlen? Das macht Spotify seit den neusten Anpassungen bezüglich Bezahlung.
Beispiel:
Zwei App-Nutzer lösen ein Spotify-Abo. Einer hört nur einen Megastar, der weltweit eine hohe Popularität geniesst, der andere einen kleinen Künstler aus der Schweiz. Der Megastar ist natürlich sehr populär und wird von Millionen weltweit gehört, während der noch eher unbekannte Schweizer Künstler kaum auf 1000x Abspielen im Jahr kommt. Das Problem ist nun, dass durch das ab 2024 geltenden Vergütungsmodell von Spotify der kleine Künstler nicht mehr bezahlt wird, während der Megastar noch mehr bekommt. Und das, obwohl beide Nutzer in diesem Fall das Abo nur für genau diese Künstler genutzt haben.
Rückblende
Spotify zahlte bisher für jeden Titel, der länger als 30 Sekunden abgespielt wurde, einen festen Betrag. Die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber bekamen dafür sogenannte «Play»-Tantiemen, die im Durchschnitt 0,004 Franken betrugen – einen recht tiefen Betrag. Das ändert sich per 1. Januar 2024: Spotify zahlt nicht mehr für jeden Play, sondern nur noch für Songs, die pro Jahr mindestens 1000-mal gestreamt werden. Das trifft viele Musikschaffende hart: Nur etwa ein Drittel der mehr als 100 Millionen Songs auf Spotify schafft es, diese 1000 Plays pro Jahr zu erreichen.
Schlecht bezahlte Künstler sind nicht neu
Schon 2014 zeigte eine Studie, dass etwa drei-Viertel aller Einnahmen aus Musik an Superstars gehen. Balbina Jagielska, Vertreterin der Akademie für populäre Musik, sagte bei einer Pressekonferenz des EU-Parlaments, dass 90 Prozent der Einnahmen bei Spotify nur an ein Prozent der Künstler gehen. Die Kritik wird auch deshalb jetzt laut, weil Spotify das Bezahlmodell änderte. Spotify sammelt zwar weiterhin auch das Geld für Plays unter 1000 ein, zahlt es aber nicht an die entsprechenden Künstler aus, weil es sich nicht lohnt, kleine Beträge zu überweisen. Laut Spotify kommen so pro Jahr etwa 40 Millionen Dollar zusammen. Das Geld will Spotify aber nicht behalten, sondern in den Topf für die Auszahlung stecken, der an grössere Künstler geht. Paradox, denn so arbeiten quasi die kleinen Künstler umsonst und für die Grossen – die dann das Geld für ihre Arbeit zusätzlich noch einstecken.
EU schreitet ein
Das sehen kleinere Künstler und EU-Politiker als ein Problem an. Denn Streaming-Plattformen profitieren auch von kleinen Musikern und dem riesigen Fundament, das durch die Vielzahl weniger bekannter Songs entsteht – dort einfach alle Leistungen zu kürzen, scheint in einem sozialen System nicht fair und gehört geändert. Politiker kritisieren aber nicht nur das Vergütungsmodell selbst, sondern auch den Discovery-Modus, bei dem Musikschaffende mitmachen können, wenn sie 30 Prozent ihres Umsatzes abgeben. Damit werden sie neuen Nutzern vorgeschlagen mit ihren Songs, sofern diese zu ihrem Musikschema passen. Doch auch künstliche Intelligenz wird zunehmend zum Problem, denn nicht in jedem Fall ist klar, ob ein Song von einer KI erstellt wurde, oder von einem Menschen.
Die EU will solche Praktiken stoppen und verlangt mehr Präsenz europäischer Künstler im europäischen Markt. Ausserdem wird diskutiert, ob Werke, die von KI erstellt wurden, gekennzeichnet werden sollten. Frankreich gab schon Mitte Dezember bekannt, dass sie die Einnahmen von Streaming-Plattformen für Musik besteuern und in die Unterstützung der französischen Musikindustrie investieren wollen. Es ist aber noch nicht klar, wann die EU und europäische Länder die geforderten und geplanten Massnahmen wirklich umsetzen werden.
Mit 532 Stimmen hat das Parlament am 17. Januar 2024 einen Initiativbericht verabschiedet, nun muss die Kommission einen Gesetzesvorschlag erarbeiten, was mehrere Monate bis zu anderthalb Jahre dauern kann. Der Grund, warum die EU eingreifen will und die Sache nicht dem freien Markt überlässt, ist, dass der Musikmarkt durch Organisationen wie der GEMA und grosse Musik-Labels sehr unübersichtlich ist. Ein Vertreter der GEMA sagte, dass nur sehr wenige Musiker einen direkten Vertrag mit Spotify haben – deshalb sei es ein strukturelles Problem, das im Ganzen gelöst werden muss. Ob und in welcher Form kleine Künstler künftig geschützt werden können, bleibt indes noch offen.
Positiv zu werten ist auf jeden Fall der Umstand, dass die EU hier aktiv werden und kleine Künstler schützen möchte. Dass die EU viel bewirken kann, hat sie besonders in der jüngsten Zeit gezeigt. So musste Apple USB-C einführen und Microsoft muss Edge und Co. deinstallierbar machen in der EU. Es bleibt also weiterhin spannend.