Meinen Sonntag Abend verbrachte ich auf der Streaming-Plattform Twitch, genauer auf dem Kanal des Hip-Hop Journalisten Rooz, der in der Szene vor allem durch sein Interview-Format #waslos bekannt wurde.
Statt Deutschrap-Gossip zu diskutieren oder auf Musikvideos zu reagieren, war das Programm vergleichsweise „intellektuell“. Rooz las aus dem bald erscheinenden Buch König im Schatten des Rappers Manuellsen vor. Plötzlich brach der Stream ab. Der Kanal @roozworld war auf Twitch nicht mehr auffindbar. Was war passiert?
Über YouTube erklärte Rooz wenig später, dass sein Twitch-Kanal ohne Vorwarnung für 7 Tage gesperrt wurde. Eine Begründung gab es von der Streaming-Plattform nicht — abgesehen von der vagen Mitteilung, dass irgendwo unangemessene oder gefährdende Äußerungen gefallen seien und man die Richtlinien konsultieren sollte.
Warum wurde Rooz auf Twitch gebannt?
Die wahrscheinlichste Erklärung:
In Manuellsens Buch wurde eine Textstelle aus dem Song „Hungrig und Stur“(2010) des Offenbacher Rappers Haftbefehl zitiert wurde, in der es heißt:
Servus Deutschland, Hand hoch, Heil H*tler
Dort, wo ich wohn‘, kost’n Gramm Koks ’n Dreißiger
Die Zeilen gehen sicherlich an diverse Geschmacksgrenzen; jedem vernünftigen Zuhörer wäre aber aus dem Kontext klar gewesen, dass es hier nicht um eine Verherrlichung der Nazi-Diktatur ging. Nicht Haftbefehl, der die Zeilen auf seinem Debütalbum rappte. Nicht Manuellsen (oder der Co-Autorin Nina Damsch), die sie zitierten. Und erst recht nicht Rooz, der bloß aus einem Buch las (und gleich danach anmerkte, dass er die Stelle wohl besser hätte zensieren sollen).
Algorithmus schlägt zu?
Das Problem: Auf vielen Plattformen werden Entscheidungen über vermeintliche Richtlinienverletzungen eben nicht durch vernünftige Personen getroffen, sondern durch künstliche Intelligenz. Bots registrieren verdächtige Keywords und verhängen Sanktionen, die Content-Creator im schlimmsten Fall an die Existenz gehen. Entmonetarisierung, Löschung, Sperrung. Ein automatisierter Prozess, bei dem es kaum Transparenz oder Widerspruchsmöglichkeiten gibt.
Ich erzähle das hier nicht in erster Linie im Kontext der Zensur-Debatte, die gerade etwa durch die Sperrung von Donald Trumps Twitter-Account hochkocht. Obwohl diese Debatte natürlich eine wichtige ist.
Aber ich bin der Meinung: ein echter Hitlergruß sollte zu Sanktionen führen (in Deutschland ist er nach § 86a StGB auch strafrechtlich verboten). Es gibt Grenzen der freien Meinungsäußerung (und private Unternehmen können diese Grenzen auf ihren Plattformen prinzipiell enger ziehen als der Staat im Allgemeinen). Aber wenn diese Grenzen von Maschinen durchgesetzt werden, die offenbar (noch) nicht den Kontext, geschweige denn die Absicht, einer Äußerung verstehen können, dann schafft das ein zusätzliches Problem.
Es ist durchaus denkbar, dass auch dieser Artikel von Google für die Auslieferung von Werbeanzeigen gesperrt werden wird.
Was haltet ihr von diesem Thema? Wurde der Twitch Kanal zu Recht temporär gesperrt? Schreibt und eure Meinung in die Kommentare.
Ob gerechtfertigt oder nicht, der Kanal bleibt erstmal gesperrt. Wer denkt solche Aussagen in der Öffentlichkeit verwenden zu müssen, der muss auch mit den Folgen klarkommen. Das Internet sieht alles und vergisst nichts.
Die Wertung (+ oder -) spare ich mir und möchte nur mal folgendes anmerken:
Wenn es nicht gerechtfertigt war, dann ist ja auch nichts schlimmes dran.
Wenn etwas daran schlimm ist, ist die Sperre gerechtfertigt.
Es macht also durchaus einen Unterschied. Und ja, ungerechtfertigte Banns, vor allem durch Bots, können schnell zurück genommen werden.
Und ich denke unabhängig von dem Bann wird es keine Folgen haben. Denn dass er nur aus einem Buch vorgelesen hat, hat ja jeder mitbekommen. Jedem dürfte klar sein, dass dies nicht seine eigene Meinung widerspiegelt. Vor allem auch aufgrund seiner Reaktion danach.
Hau mir die Wertung bitte raus, wenn der Kanal vor den 7 Tagen entsperrt wird, denn ich bezweifle das dies passieren wird. Twitch wird es relativ egal sein ob die Sperre nur gerechtfertigt war und ich weiß das, weil ich selber dort Streamer war. Mein Kanal wurde damals gleich nach der Erstellung gesperrt ohne dass ich überhaupt Streamen konnte und dem Support war dies egal, die 7 Tage Sperre wurde nicht zurückgenommen.
Nochmal: Es ist ganz einfach. Als gelernter DDR-Bürger kann ich ein (trauriges) Lächeln nicht unterdrücken: Liebe Genossinnen und Genossen, studiert bitte die Dokumente genauer, LERNT ZWISCHEN DEN ZEILEN ZU LESEN. Jeder darf hier kritisieren – wir haben eine Verfassung und sind sogar bei der UNO als souveräner Staat anerkannt. Natürlich ist derjenige, der nicht für uns ist – na? Richtig: Gegen uns! Und somit unser FEIND! Gut erkannt. Seht ihr – es geht doch. [Und der Kollege Trump…naja, meine chinesische Freundin sagt, das ginge bei ihnen eben anders. Ich sag mal: noch !-) Bei uns wäre der nach Bautzen gegangen!… Weiterlesen »
Die Antwort ist schwierig, wenn man a) nicht den ganzen Stream und b) nicht die sonstigen Streams dieser Person kennt, da man dann c) nicht den gesamten Kontext berücksichtigen kann. Allerdings empfinde ich einen temporären Bann für so etwas generell schon gerechtfertigt. Ein permanenter Bann wäre etwas anderes, ohne die o.g. Umstände zu kennen. Was man bedenken muss ist die Tatsache, dass die hier getätigte kritische Äußerung (der Gruß, ich werde ihn nicht zitieren) grundsätzlich illegal ist, egal ob man es so meint oder nicht. Eine Verherrlichung bedarf keines Vorsatzes! Es gibt lediglich ein paar wenige klar definierte Ausnahmen, wann… Weiterlesen »
Wenn hier jemand “Schuld” hat, dann sind das die
Nicht-Designer der
Nicht-Infrastruktur des
Nicht-Internets (netzloses Drahtwerk).
Sollte diesen Satz irgendjemand verstehen, so möge er sich BITTE bei mir melden.