Als Steve Ballmer letztes Jahr seinen Rücktritt ankündigte, waren die Reaktionen der Community äußerst gespalten. Das ist kein Wunder. Ballmer polarisierte die Massen Zeit seiner langen Laufbahn als CEO. Zum Einen war da der ungestüme, wilde, ja fast cholerische Manager, der das Iphone seinerzeit als Eintagsfliege abstempelte. Auf der anderen Seite hat er Microsoft durch seine Blütezeit geführt und zu einem der erfolgreichsten Unternehmen weltweit gemacht. Dabei überwanden die Redmonder unter seiner Leitung die Aufspaltung des Unternehmens durch das Antitrust Law der Vereinigten Staaten. Dieser Erfolg war lange das Totschlagargument, das seine Kritiker verstummen ließ.
Sein aufbrausendes Wesen stand im krassen Gegensatz zu seinem Bildungshintergrund. Als studierter Mathematiker und Ökonom, schien ihm aber die kalkulatorische Natur der Enterprisewelt immer näher zu sein als der volatile Consumerbereich. Folglich waren Office und Windows die notorischen Zugpferde des Unternehmens. Zwar gab es durch das Vistafiasko auch hier einige Tiefpunkte, aber gemessen an den Verfehlungen im Verbrauchermarkt, hielten sich die finanziellen Schäden in Grenzen. Der Zune Player, das Mira Tablet und das(der?) berüchtigte Kin, entstanden und starben alle zu Ballmer Zeiten. Auch das Surface müssen wir hinzuzählen, das erst durch die 3. Auflage profitabel geworden ist – und das geschah nach dem Führungswechsel. Einzig die Xbox entpuppte sich als Volltreffer. „Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn“, ist man angesichts der langen Liste an Nieten versucht zu sagen. Dabei war kein Gerät per se schlecht (Na gut, Kin vielleicht schon), aber wenn man über Erfolg nicht streiten kann, trifft selbiges auf das Gegenteil zu.
„Our industry does not respect tradition – it only respects innovation.“
Misserfolge sind in keiner Karriere vermeidbar und sind auch nicht das, was ich Steve Ballmer ankreiden möchte. Was letztendlich sein Genickbruch war und auch meiner Meinung nach seine größte Schwäche offenlegt, ist die fehlende Vision: Bei seinem Amtsantritt im Jahr 2000 generierte Microsoft den Hauptanteil seines Umsatzes durch Office und Windows. 13 Jahre später war das immer noch der Fall. Über ein Jahrzehnt gab es in Redmond keinen Strategiewechsel, auch nicht nach dem fulminanten Einschlag von Apples iPhone und Googles Android. Diese beiden Spieler veränderten die Spielregeln so schnell und der Softwareriese erstarrte in alten Mustern. Wie Polyphem, dem das Auge ausgebrannt worden war, versuchte man mit einem nicht zu Ende gedachten Windows 8 eine Bresche in den mobilen Markt zu schlagen – vergebens. Obwohl das Kerngeschäft nach wie vor lief, erkannte die Führungsriege die Notlage, zwang Ballmer zum Rücktritt und schaffte Platz für Satya Nadella.
Nadella ist nun seit etwas mehr als einem halben Jahr CEO von Microsoft. Kritiker weisen in dieser kurzen Zeit unentwegt darauf hin, dass die Veränderungen in Redmond nicht hauptsächlich auf ihn zurückzuführen sind. Die Weichen seien von seinem Vorgänger gestellt worden. Was sich schlüssig anhört, ist meiner Meinung nach ein Trugschluss. Erstens ist Nadella schon seit 25 Jahren bei Microsoft und war lange Chef der Cloud Abteilung. Der neue Kurs, der maßgeblich an den Erfolg von Azure und Onedrive geknüpft ist, war also schon vor der Zeit als CEO sein Verdienst. Zweitens kennen wir alle die Betriebsblindheit, die sich nach einigen Jahren in einem Unternehmen einschleicht. Eine neue Führungsspitze kann innerhalb weniger Monate den Wandel mehrerer Jahre bewirken. Drittens trägt Microsofts neue Richtung einfach nicht Ballmers Handschrift: Office for Free auf „Feindsystemen“, „Microsoft loves Linux“ und die generelle Systemagnostik in der App Politik, wären früher undenkbar gewesen. Sicher, vieles davon ist notwendig um langfristig zu überleben. Trotzdem glaube ich auch, dass es Ausdruck für die demütige Weitsicht des neuen CEOs ist. Ich habe Satya Nadella nur einmal live gesehen und fühle mich seitdem mehr denn je bestätigt, dass er eine Eigenschaft besitzt, die seinem Vorgänger gefehlt hat: Vision.
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