Unsere Lily arbeitet zur Zeit an ihrer Video-Review des Surface Pro 3, auf die ihr euch in den nächsten Tagen freuen könnt. Dass sich die Veröffentlichung etwas verzögert, liegt auch daran, dass ich vergangene Woche zu Besuch war und das Surface für ein paar Tage beschlagnahmt habe.
Ich muss zugeben: nachdem ich mit dem neuen Gerät erste Bekanntschaft gemacht hatte, war ich zunächst einmal wenig beeindruckt. Natürlich habe ich all die Verbesserungen zur Kenntnis genommen, die die dritte Generation von Microsoft’s Tablet/Laptop Hybriden auszeichnen. Ein größeres und schärferes Display, ein verbessertes Type-Cover, ein schickeres Design, ein geringeres Gewicht. Aber meine Skepsis galt nicht der Umsetzung, sondern dem grundlegenden Konzept des Surface. Und daran hatte ich einiges zu meckern:
Kritikpunkt Nr. 1: Der Alrounder verlangt dem User, der sein gutes altes Ultrabook gewöhnt ist, zu viele Kompromisse ab. Man kann sagen: das Surface Pro 3 ist Tablet und Laptop. Oder man kann sagen: das Surface Pro 3 ist nichts davon richtig. Für ein Tablet ist es zu groß und zu schwer, für ein Ultrabook kommen Tastatur und Trackpad trotz aller Fortschritte nicht an mein MacBook Air heran.
Kritikpunkt Nr. 2: Die Verwandlung des Surface von einem Ultrabook in ein Tablet ist mir zu umständlich. Wenn ich das Type-Cover einfach umklappe, um das Gerät wie ein Notizblock in der Hand zu halten, dann greife ich hinten in die Tasten. Die Tastatur ist in diesem Zustand zwar deaktiviert, sodass man nichts aus Versehen drücken oder tippen kann, dennoch fühlt sich diese Haltung einfach falsch an. Also muss ich: Kickstand einklappen, Tastatur abtrennen, Tatsatur umdrehen, Tastatur wieder dranstecken und dann das Cover umklappen. Heißt 4-5 Handgriffe zwischen „Laptop-Modus“ und „Tablet-Modus“. Das ist zu viel, dachte ich.
Kickstand Nr. 3: Die Bedienung des Surface ist nicht wirklich intuitiv. Man hat eine Tastatur mit Trackpad, einen Touchscreen und einen Stylus. Und man hat ein Windows 8.1 Betriebssystem, das mit all dem umgehen kann, aber mit nichts davon so richtig durchgehend, ohne dass man zwischendruch das Bedrüfnis hätte von Tastatur auf Touchscreen oder von Touchscreen auf Stylus umzusteigen. Der Durchschnitts-User muss sich also erstmal an diese Fülle von Eingabe-Optionen gewöhnen und herauskriegen, welche Option für welche Tasks am besten geeignet ist. Zudem muss er erst einige Handgriffe lernen, um mit Kickstand und Type-Cover wirklich souverän umzugehen zu können. Erst dann kann er das Surface Pro 3 wirklich mühelos so platzieren und konfigurieren, wie er es gerade braucht.
Um meinen Punkt zu unterstreichen, habe ich mir einen Spaß daraus gemacht, das Surface Pro 3 unbeteiligten und ungeschulten Leuten in die Hand zu drücken und ihre Reaktionen zu beobachten. Die meisten waren mit dem Gerät zunächst überfordert und legten es unbeeindruckt weg. „Seht ihr„, sagte ich triumphierend zu Leo und Lily, „das Surface Pro muss man erklären – und das ist immer schlecht„.
Ich ließ meine Eindrücke noch ein paar Tage sacken und begann dann das Surface Pro 3 etwas systematischer mit den Platzhirschen von Apple zu vergleichen, dem MacBook Air und dem iPad. „Microsoft hat schon vieles richtig gemacht„, dachte ich mir, „aber Apple würde so ein Gerät wie das Surface niemals bauen.“
Und dann dämmerte es mir: genau das war der Punkt! Meine Kritik an dem Konzept des Tablet/Laptop Hybriden mag nicht ganz unberechtigt gewesen sein. Aber woher kamen die Maßstäbe nach denen ich es kritisiert habe? Wer hat gesagt, dass es schlecht ist, wenn man ein Gerät „erklären“ muss? Wer hat gesagt, dass es falsch ist, wenn man sich mit ihm ein wenig auseinandersetzen muss? Wer hat gesagt, dass verschiedene Bedienungsoptionen kein Feature sind, sondern ein Problem? Nun ja, Steve Jobs hat das gesagt. So, oder so ähnlich.
Mit anderen Worten: ich hatte die Surface Pro 3 unter dem Apple Paradigma betrachtet und deshalb fast zwangsweise für mangelhaft empfunden.
Als mir das klar wurde, begann ich die Sache umzudrehen. Ja, die Bedienung eines iPads oder eines MacBooks ist leichter, eindeutiger, intuitiver. Aber verglichen mit dem Surface sie ist auch sehr beschränkt und eindimensional. Ein iPad bedient man über den Touchscreen. Ein MacBook bedient man mit Tastatur und Trackpad. Ein iPhone bedient man gefälligst mit einer Hand. Und ein Stylus-Stift ist im Apple-Universum prinzipiell nicht vorgesehen.
Bei Apple geht es immer um den einen richtigen Weg. Und der richtige Weg ist natürlich Apple’s Weg. Bei der Surface Pro 3 geht es um Optionen. Wenn du willst, ist sie ein Ersatz für deinen Laptop. Wenn du willst, ist sie ein großes Tablet. Wenn du willst, ist sie ein elektronisches Notizbuch. Wenn du willst, ist sie ein hervorragendes Grafiktablett. Bei der Surface Pro 3 geht es um Vielseitigkeit, Mobilität, Flexibilität.
Man kann auch ein größeres Wort benutzen: Bei der Surface Pro 3 geht es um Freiheit.
Im Apple Universum ist „Freiheit“ nicht unbedingt ein zentraler Begriff. In Cupertino spricht man zum Beispiel lieber von „empowerment“. Man möchte die User also befähigen oder bemächtigen – zu was auch immer. Aber diese Befähigung beschränkt sich auf den eng abgesteckten Rahmen des eigenen, wohlbehüteten Ökosystems. Apple sagt, seine User sollen „kreativ“ sein und meint damit iMovie und Garage Band. Wenn du ein iPad oder iPhone kaufst, wird dir nicht mal zugetraut einen Akku zu wechseln oder eine Software zu installieren, die nicht von „Oben“ abgesegnet ist. Und irgendwann ist der Apple User so „empowert“, dass er nicht mal mehr in der Lage bist, ohne offizielles Tool ein U2-Album zu löschen.
Bei alledem, was an der Vision von Steve Jobs richtig und zurecht erfolgreich ist: In seinem Ideal einer kinderleichten Bedienung und einer nahtlosen Integration von Hardware und Software steckte immer auch die Sorge, dass andere Hersteller, andere Entwickler oder der dumme User am Ende Mist bauen könnten.
Ich weiß nicht genau, warum gerade Microsoft bei vielen Leuten noch immer einen Ruf genießt wie das Imperium aus Star Wars: groß, böse, unterdrückerisch. Abgesehen davon, dass Apple mittlerweile viel größer ist, spiegelt die Hardware- und Software, die in letzter Zeit aus Redmond kommt, für mich in keinster Weise so ein restriktives Weltbild wieder.
Das Surface Pro 3 – um wieder zum eigentlichen Gegenstand meines Artikels zurückzukommen – verlangt dem User ein bisschen was ab, aber es nimmt ihn dadruch auch ernst, traut ihm etwas zu. Es gibt ihm nicht den einen richtigen Weg vor, sondern befähigt ihn seinen eigenen zu gehen.
Wie das Windows 8 Betriebssystem, das ein noch unvollkommener Kompromiss zwischen Touch- und Desktop Elementen ist, hat der Tablet/Laptop-Hybrid dort seine Schwächen, wo seine verschiedenen Facetten nicht wirklich smooth ineinandergeifen. Aber obwohl hier noch Raum für Verbesserung besteht, ist das eine Kritik an Features, die Konkurrenzprodukte gar nicht erst bieten – zumindest nicht in einem einzigen Gerät!
Das Surface Pro 3 ist vielleicht kein „MacBook Air Killer“ aber es ist trotzdem, im besten Sinne, das ultimative Anti-Apple Device. Und das ist vielleicht das größte Kompliment, das man ihm an dieser Stelle machen kann.
Für weitere Details, freut euch auf unsere Video-Review.
In der Tat: Das Surface lässt sich ohne Vorkenntnisse für einen Laien kaum bedienen. Meine Mom hätte nie im leben geahnt, dass man von Oben;Links, Rechts streifen muss, um Programmeigenschaften oder Funktionen sichtbar zu machen. Da würde ich nicht mal mit Apple argumentieren. Unsere bisherige Arbeitsweise, auch mit Windows, war darauf angelegt alle Funktionen sichtbar im Blickfeld als Button oder Taster zu haben. Das ist bei Win8.1 irgendwie gänzlich weggestrichen worden und verlangte von den Usern, sich um 180% zu drehen. Wir wissen ja, dass nur 5% davon wirkliche Geeks sind, die zu so etwas fähig sind, daher punktete Apple… Weiterlesen »
Vielleicht ein bissl zu Apple-lastig.. Aber treffend!