Seit fast zwei Jahren bin ich im beruflichen Social Media-Netzwerk LinkedIn unterwegs, obwohl ich soziale Netzwerke als Privatperson so gar nicht mag. Doch LinkedIn sprach mich doch irgendwie an: Keine Fotos von Mittagessen, keine Bilder von Marcel und Chantale auf Mauritius (wobei nicht zwingend der Urlaubsort gemeint ist), keine Bullshit-Weisheiten, die einen täglichen Beitrag dazu leisten können, den IQ aktiv zu senken. Nein, LinkedIn verspricht pure Produktiv-Informationen, ohne Nebengeräusche – genau mein Ding.
#Growing, #Learning, #Tschakka!
Schnell musste ich feststellen, dass dieses Versprechen nicht ganz der Realität entspricht. Die LinkedIn-Community macht meiner Erfahrung nach genauso viel „Krach“ wie die Gemeinschaft auf Facebook. Bilder von Katzen, Essen, Urlaub und „gefährlichen Flüchtlingsströmen“ werden hier allerdings durch die „Tschakka!“-Mantren diverser und zum Teil auch völlig unwichtiger Manager ersetzt.
Auf LinkedIn grassiert der „Wachse und lerne“-Virus, der aus dem Silicon-Valley herübergeschwappt ist. „Personal Development“ ist zur neuen Religion ausgerufen worden und an jeder Ecke sprießen täglich neue Gurus hervor, um den spirituellen Durst hungriger Möchtegern-CEOs zu stillen.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe nichts gegen „Personal Development“. Ein großer Teil des Lebens besteht aus lernen, Herausforderungen meistern und persönlicher Weiterentwicklung. Es gibt ein Vielzahl an Literatur, die ich sehr empfehle, da sie die persönliche Entwicklung fördern kann (Sam Harris im Bereich Philosophie/Spiritualität oder Jasper Jul zum Thema Charakterentwicklung im Kontext Familie). Sobald ein Thema aber zum Mainstream wird, fängt es an zu nerven. Nicht, weil es dann nichts mehr besonderes ist und keine wichtigen Einsichten mehr entstehen, sondern, weil die wirklichen „Weisheitsperlen“ von unglaublich viel Gedankengrütze verdeckt werden.
Wenn „Lernen“ zur Mode wird
Aus einer löblichen Idee, der Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten, ist mittlerweile eine Massenbewegung geworden, an deren Prinzipien oder Methoden keine Kritik erwünscht ist. Ich lese täglich die immer gleichen Sprüche oder Fragen. Ein besonders hochrangiger Manager eines großen Konzerns in meinem Bekanntenkreis, verkörpert meines Erachtens den Prototypen dieser Bewegung. Hier einige Fragen, die diese Person regelmäßig stellt:
Was macht für euch einen perfekten Anführer aus?
oder
Nennt drei Dinge, die ihr diesen Monat neu gelernt habt?
Auf diese Fragen folgen die immergleichen Antworten: Der perfekte Anführer sei verständnisvoll, selbstlos, höre auf seine Mitarbeiter, wisse aber gleichzeitig was er wolle. Die Antworten sind per se nicht verkehrt, letztlich aber substanzlos und vom Niveau her gleichauf mit der Frage wie der perfekte Lebenspartner sein sollte, welche regelmäßig in der „Bunte“ zu lesen ist.
Ähnlich verhält es sich mit dem „Lernen“. Mark Zuckerberg hat irgendwann einmal gesagt er lese zwei Bücher im Monat, weil er möglichst viel lernen wolle. An sich eine gute Sache, die „Zuck“ da betreibt, das Problem beginnt aber, wenn Menschen aus solch einer Aussage eine fundamentale und allgemeingültige Lebensweisheit machen wollen. Bringt mich das wirklich weiter, wenn ich jeden Monat zwei Bücher lese? Ich sammle dadurch sicherlich Informationen an, um zu lernen bedarf es aber auch gründlicher Reflektion.
Und es ist eben diese Reflektion, die ich in der „Wachse und lerne“-Bewegung vermisse. Für die meisten Anhänger ist es lediglich En vogue.
Den eigenen Weg gehen
Machen wir uns nichts vor: In Zeiten von „Big Data“ wird deutlich, dass die meisten von uns doch irgendwie gleich ticken. Diese Erkenntnis machen sich Mitglieder in Führungspositionen zunutze. Man sollte sich zwischendurch ruhig mal bewusst machen, dass für Firmen immer noch der Umsatz an erster Stelle steht und nicht der Mitarbeiter.
Und dann können wir solche Mantren auch mal kritisch hinterfragen und in uns selbst hineinhorchen, was der beste Weg für unsere Entwicklung ist.
Ich bin mir der Ironie durchaus bewusst, wenn ich diesen Artikel mit einem guruartigen Zitat von Salvador Dali beende:
„Jeder sollte Schrullen haben. Schrullen sind ein hervorragender Schutz gegen Vermassung „
Kann ich nur voll und ganz zustimmen. Die ganze Plattform verkommt weiter und weiter. Mehrwert bleibt in dieser Menge an unwichtigen Informationen gleich Null.
Ich persönlich mag das eine oder andere soziale Netzwerk, doch muss es auch zu mir passen und meine privaten und beruflichen Interessen wiederspiegeln.
Daher blieb ich Twitter über all die Jahre treu, weil es mal nur unterhält, dann auch wieder informiert. LinkedIn kann keines von beiden….
Guter Artikel, sehr humorvoll !
„perfekter Anführer“, was für eine Wortwahl – kotz!
Da halte ich es lieber mit Dali, gutes Zitat!
Was ist daran so schlimm? Muss ja nicht zwingend etwas mit der „Geschiche“ zu tun haben?
Wir sind in einer Zeit in der man bald jedes Wort 2mal überlegen muss – um nicht gleich als Nazi abgestempelt zu werden. (Ist jetzt nicht auf dich Bezogen) 😉
So langsam müsst ihr euch mit dem Gegebenheiten der digitalen Welt einig werden. Entweder ihr benutzt es oder nicht. Beides ist blöd…wenn man es benutzt hat man eben mit niedrigster Intelligenz zu tun…teilweise. Benutzt man es nicht ,fallen auch besonders gute und interessante Möglichkeiten der Kommunikation weg……
Das Problem ist ja, dass die initiatoren alle gar nicht blöd sind, sondern vielfach erfolgreiche karrieremenschen
Sehr erfolgreiche Karrieremenschen und Serienmörder haben eines gemeinsam: Es sind beides häufig Narzissten. Die einen erfolgreich, die anderen nicht.
Sehr interessanter Artikel 👍. Nutze selber Linkedin 😂 🤣. In einer Welt voller Intelligenzbestien und Hochbegabten, kann eine zeitweise Verdummung nicht schaden 😜.
Cooler Artikel. Deine Meinung gefällt mir
So ähnlich empfinde ich es bei XING.
Was machst du eigentlich beruflich Leo?
Ich bin professioneller Fluffer
Probiere doch auch mal feste Nahrung. Man lernt nie aus….
Klar sollen/müssen Unternehmen Umsatz/Gewinn machen. Zum Geldwechseln sind sie ja nicht da.
Allerdings sind die Arbeiter/Angestellten so mit das wichtigste Gut eines Unternehmens. Was nutzen die besten Ausstattungen/Maschinenparks wenn niemand da ist…
Und nun bitte keine Antworten a la „dann eben nur Roboter“…
👍…
Es soll ja Mitarbeiter geben, die Ihre Vorgesetzten ausschließlich am Duft der Klabusterbeeren erkennen….
Gut gebrüllt Löwe, ähhh Leo 😉
Ich stimme Dir voll zu! Ich hatte auch etliche dieser Mantra-Werfer im Netzwerk… Ich sah mich dann zu einer geistigen Schlankheitskur in Linkedin gezwungen, um mich von diesen Lebensergüßen zu befreien.
Es ist leider ein Gesetz der Natur immer da wo eine Größere Menge von Menschen aufeinandertreffen wird der Verstand abgeschaltet.
Exakt, ich habe nix hinzuzufügen und Dali hat in der Sache recht. PRIMA Kommentar. 🙂