Kahlschlag im Windows Store: Selbstmord oder Qualitätsoffensive?

Microsoft säubert den Windows Store. Der Software-Riese hatte schon von langer Hand angekündigt, alle Apps aus dem Store zu entfernen, die keine Kennzeichnung zur Altersfreigabe besitzen. Scheinbar nimmt Microsoft die neuen Jugendschutzregeln aber auch ein Stück weit zum Vorwand, um den Store mal so richtig durchzufegen und zehntausende von App-Leichen auszusortieren, die komplett verwaist sind oder gegen Qualitätsrichtlinien verstoßen.

Wie Dr. Windows berichtet, sollen seit Anfang des Monats rund die Hälfte aller Apps aus dem deutschen Windows Store entfernt worden sein. Stand gestern waren noch 164.436 Apps übrig – Anfang Oktober waren es fast 330.000.

Für viele Nutzer ist das ein längst überfälliger Schritt. Denn auch im Windows Store tummelten sich unzählige nutzloser oder sogar betrügerischer Apps, die sicherlich keiner vermissen wird. Man muss natürlich damit rechnen, dass bei so einer umfassenden Säuberung auch einige „false positives“ dabei sind, also nützliche und seriöse Apps, die zu Unrecht aus dem Store geschmissen wurden. Die meisten dieser Apps dürften aber nach kurzer Zeit wieder zurückkehren und am Ende des Tages wird die Säuberungsaktion der Qualität des Windows Stores sicherlich gut tun.

Microsoft hat einen Plan

Andere Nutzer sorgen sich allerdings um die Außenwirkung, wenn die ohnehin geringen App Zahlen der Windows Plattform weiter dezimiert werden. Apple und Google haben mittlerweile über 2 Millionen Apps in ihren Stores, ein paar Hunderttausend Windows Apps wirken dagegen tatsächlich mickrig. Hat sich Microsoft durch die Aktion also selbst geschadet?

Meiner Meinung nach sind diese Gesamt App Zahlen ohnehin nur Augenwischerei, egal ob sie von Apple, Google oder Microsoft kommen. Ende 2015 meldete Microsoft noch stolz, dass es für Windows (Phone und Desktop) schon 669.000 Apps gibt. Auf dem Papier war der Abstand zu Android und iOS da gar nicht mehr so groß, aber mit der Realität vieler Nutzer hatte das nur wenig zu tun.

Denn der User spürt den App-Gap nicht am Fehlen von einer Millionen Müll-Apps, sondern am Fehlen von einigen „großen“ Apps wie Snapchat und neuerdings auch Ebay oder PayPal. Man spürt den App-Gap am Qualitätsunterschied zwischen vielen Windows Apps und den entsprechenden iOS und Android Versionen – siehe Amazon, DB Navigator, etc. Und man spürt den App-Gap an der mangelnden Aktualität, wenn die angesagten Apps, über die alle Welt redet, erst dann auf die Windows Plattform kommen, wenn der Hype schon vorbei ist.

Ich denke hinter Microsofts Store Säuberung steckt ein überzeugendes Kalkül. Die Redmonder haben es aufgegeben so zu tun, als könnte ihr Store quantitativ mit Android und iOS. Das hat ihnen ohnehin niemand abgekauft. Stattdessen versuchen sie – auch im Hinblick auf die Business Orientierung von Windows Mobile –  die Sicherheit und Zuverlässigkeit ihrer Plattform in den Vordergrund zu stellen. Anstatt also (wie alle anderen) mit aufgeblähten App Zahlen zu protzen, hat Microsoft ein überzeugenderes Argument, wenn sie sagen können, dass sie zwar weniger, aber dafür vertrauenswürdige Apps haben.

Android hat ein Malware Problem

Gerade als Gegenmodell zu Android macht das Sinn. Denn auch das App-Ökosystem von Android hat ein großes Problem. Laut einer Studie der Cybersecurity Spezialisten Webroot sind knapp 45% aller Android Apps, die in der ersten Jahreshälfte 2016 in Umlauf gekommen sind, Malware. Sprich: fast die Hälfte aller neuen Android Apps sind Trojaner, Spyware, Rootkits oder sonstige Schadsoftware. Hinzu kommen nochmal rund 30%, die als „ungewollt“ oder „verdächtig“ eingestuft werden. Ingesamt soll die Zahl der Android-Schädlinge in diesem Jahr um ganze 400% zunehmen.

Relativierend und zur Beruhigung unserer Android Nutzer muss man dazusagen, dass der Großteil dieser Malware im asiatischen Raum kursieren soll und es sicherlich nur ein Bruchteil davon in den Google Play Store schafft. Trotzdem: die Android Fans, die behaupten, Android hätte kein Malware Problem sind genauso verblendet wie die Windows Fans, die behaupten, Windows Mobile hätte kein App-Gap Problem.

Unterm Strich muss ich feststellen, dass iOS derzeit das einzig wirklich gesunde App-Ökosystem hat. Es tut mir Leid das zu sagen, weil ich prinzipiell Sympathien für offenere Systeme hege. Aber iOS profitiert einerseits von der strengen Hand von Apple und andererseits von seiner zahlungskräftigen Kundschaft, die im Schnitt deutlich mehr Geld für Apps ausgibt als Android oder Windows Nutzer und die Plattform damit für Entwickler besonders attraktiv macht.

Microsoft hat es längst verpasst aus Windows Phone bzw. Windows Mobile ein zweites iOS oder ein zweites Android zu machen. Nun bleibt abzuwarten, ob sie ihr mobiles OS noch erfolgreich in der Nische platzieren können. Die Säuberung des Windows Stores ist meiner Meinung nach aber ein Schritt in die richtige Richtung.

Dies ist ein Meinungsbeitrag. Die Meinung des Autors spiegelt nicht notwendigerweise die Ansichten von WindowsUnited oder anderer Mitarbeiter wider.