Als ich vor ein paar Wochen in Holland war, ist mir eine Sache sehr positive aufgefallen: Es gibt dort fast überall öffentliches WLAN, einfach, kostenlos und ohne Anmeldung. Als ich im Hotel nach dem WLAN Passwort gefragt habe, warf man mir erstmal einen irritierten Blick zu, bevor man mir sagte: „Sie brauchen keines, einfach einloggen“. Dass wir in Deutschland vergleichsweise im Internet-Entwicklungsland leben, mit viel zu wenigen wenigen HotSpots, komplizierten Login-Verfahren und dummen Fragen à la „Für viele Geräte brauchen sie ein Passwort?“, hat vor allem einen Grund: die sogenannte Störerhaftung machte bislang den Inhaber von Internet-Anschlüssen für das Verhalten der Nutzer verantwortlich.
Wenn ich also, sagen wir mal, in einem Café saß um über das dortige WLAN raubkopierte Filme herunterzuladen, dann konnte der Café-Besitzer in Haftung genommen werden, sofern er mich nicht über das Verbot solcher Handlung aufgeklärt und sein Netz angemessen gegen unbefugten Zugriff gesichert hatte. Diese Regelung mag einst eine gewisse Logik gehabt haben, passt aber einfach nicht mehr in eine Zeit, in der ein Internetanschluss zur Grundversorgung gehört wie Wasser und Strom. Wenn ich jemanden in der Badewanne ertränke, haftet ja auch nicht der Inhaber des Wasseranschluss.
Heute hat der Deutsche Bundestags mit den Stimmen von Union und SPD das Telemediengesetz reformiert und die Störerhaftung endlich abgeschafft. Die Koalition will damit Rechtssicherheit für die Betreiber offener WLANs schaffen und erhofft sich mehr öffentliche HotSpots und damit eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschlands. Klingt soweit alles super. Also endlich „freies Internet für freie Bürger“?
Wohl nicht so ganz. Zahlreiche Fachjuristen und die Opposition aus Linken und Grünen kritisieren die Gesetzesnovelle als Mogelpackung. Denn die entscheidende Haftungsbeschränkung bei Unterlassungsansprüchen im Rahmen von Abmahnungen findet sich explizit nur in der Gesetzesbegründung, nicht aber im Gesetzestext. Laut Gesetzesbegründung, umfasst die Neuregelung des Paragraphen 8 TMG „uneingeschränkt auch die verschuldensunabhängige Haftung im Zivilrecht nach der sog. Störerhaftung“. Aber diese Interpretation ist nicht bindend. Insofern liegt es also doch wieder im Ermessen der Gerichte, in wieweit sie den WLAN-Anbieter bei Abmahnungen in Haftung nehmen wollen.
Ich bin kein Jurist, aber es klingt fast so, als hätte die Regierungskoalition nicht die Eier gehabt, um ein für allemal Rechtssicherheit zu schaffen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Gerichte (insbesondere der Europäische Gerichtshof, der die deutsche Störerhaftung aktuell verhandelt), die Zeichen der Zeit erkennt und für wirklich freie WLAN-Zugänge sorgt. Machen wir es wie die Holländer: legalize it!
Quelle: heise
P.S. Öffentliche HotSpots sind mit Sicherheitsrisiken verbunden und es ist sinnvoll, sich hier angemessen zu schützen (etwa durch VPNs). Das ist hier aber nicht das Thema.
Also ich hab letztens (April) in Paris im Hotel Login Daten gebraucht 😉 die wurden mir aber ohne Nachfrage gleich beim Check-in gegeben. Davon abgesehen: innerhalb Europas nutze/brauche ich offene WLAN nicht da ich einen potenten Mobilfunkvertrag habe und damit oft besser dran bin als im übervollen WLAN. Von der Sicherheit mal ganz abgesehen 😉
Richtig, die sind offensichtlich vor der Verwerte-Lobby eingenickt. Eigentlich wie vor jeder Lobby, die nicht das Interesse der Bürger vertritt. Ein völlig normaler demokratischer Vorgang.?
Da wird schon das nötige kleingeld geflossen sein.
Ich bin sicher, das die Gerichte hier für die Betreiber wohlwollend entscheiden werden. Das haben sie ihn der Vergangenheit in Rahmen der Möglichkeiten auch getan. Und sie folgen oft den Begründungen zu Gesetzen, auch wenn die dazu nicht verpflichtet sind. Und nun fällt die generelle Strafbarkeit im Rahmen der Haftung weg. Damit fehlt für das Zivilrecht auch eine wichtige Grundlage. Und ich denke der EuGh wird sie Deutsche Störerhaftung eh kippen. Da bin ich mir relativ sicher.