Vergangene Woche bin ich auf einem Flohmarkt zufällig auf eine Kindheitserinnerung gestoßen: Auf einem Stand gab es zwischen Baby-Sachen und Kinderbüchern eine Ecke mit martialischen Brettspielen. Dabei ist mir ein Titel gleich ins Auge gestochen: HeroQuest. Dieses Game ist vielleicht so etwas wie die Mutter aller Fantasy-Brettspiele. Auch wenn es nicht das erste seiner Art war, sorgte es doch Anfang der 1990er-Jahre international für Furore und trug damit zur bis heute rollenden Welle an Fantasy-Rollenspielen bei.
Ich hatte den Namen des Spiels bereits vergessen, die nervenaufreibenden Brettspiel-Schnitzeljagden aber nicht. Live sieht das Ganze etwa so aus. Leider werden die Spiele-Boxen heute zu horrenden Preisen gehandelt, sodass ich mich nicht zu einem Kauf durchringen konnte. Doch mit dem wiederentdeckten Namen ließ sich auch etwas anfangen. Dachte ich mir doch: Das gibt es doch bestimmt auch als App?! Ich wurde nicht enttäuscht.
Der Windows Phone Store liefert bei einer Suche nach HeroQuest gleich mehrere Titel. Aus der Kategorie, wenn’s draußen regnet und auch sonst nichts läuft, möchte ich euch eine meiner Meinung nach recht gelungene Adaption des Brettspiels für Windows Phone namens Arcane Quest vorstellen.
Arcane Quest ist keine 1:1-Umsetzung von HeroQuest, sondern besitzt einige kleinere Änderungen und willkommene Erweiterungen. Das Spielprinzip ist aber das gleiche.
Nach wie vor bestreitet man Abenteuer mit bis zu vier Helden, mit verschiedenen Fähigkeiten; neben den ursprünglichen vier Charakteren, Krieger, Zauberer, Zwerg und Elf, stehen jedoch vier zusätzliche Typen zur Verfügung: Summoner (Beschwörer?), Mörderin (Assassine?), Ranger und Kleriker – die neuen Charaktere sind meiner Meinung etwas unausgewogen, aber sei’s drum.
Um ein Abenteuer zu bestehen, muss man mit der Heldengruppe durch eine Reihe von Verliesen bewältigen, indem man bestimmte Missionen erfüllt und den Ausgang findet. Ein Verlies kommt genau wie beim Brettspiel als 2D-Feld mit mehreren Räumen daher. Bei Beginn des Spiels ist nur die unmittelbare Umgebung der Helden einsehbar. Die noch nicht erkundeten Teile des Spielfelds bleiben solange verborgen, bis man die betreffenden Räume betreten hat. Erst dann kommen Monster (Gegner), Schätze (Belohnungen) und andere Objekte (Möbel) zum Vorschein. Bereits erkundete Teile des Spielfeldes verschwinden auch nicht wieder im „Nebel des Krieges“, wie dies heute üblich ist. Gespielt wird Rundenbasiert mit Hilfe von Würfeln. Das Würfeln übernimmt die App, denn alle Handlungen, wie Kämpfe, laufen zugbasiert in Abhängigkeit von Würfelergebnissen ab: Mit Würfelergebnissen wird bestimmt, wie weit der Held geht, mit wie vielen Angriffspunkten man einem Gegner zu Leibe rückt, wie viel Verteidigungspunkte man im Fall eines Angriffs in die Waagschale werfen kann, ob man eine Falle entschärfen kann, usw.
Die Steuerung ist leider etwas müßig. Man muss jeweils das nächste Feld, das man betreten möchte, anklicken. Dabei ist zu beachten, dass man nicht schräg gehen kann; man ist deshalb öfters dazu gezwungen „eckig“ zu gehen.
Die Helden starten in jeden Dungeon so, wie sie auf der Heldenkarte verzeichnet sind. Wenn ich richtig aufgepasst habe, verliert man auch nach Abschluss eines Verlieses darin gesammelte „Aktionen“, etwa ein zusätzlicher Würfel beim nächsten Angriff – gefundene Gegenstände und Gold bleiben jedoch erhalten. Mit dem gesammelten Gold kann man wie gesagt einkaufen gehen; nicht mehr benötigte Ausrüstung kann man für gutes Geld verticken.
Das Spiel ist insofern kein Rollenspiel im heutigen Sinne: Man kann die Helden zwar durch (gefundene oder gekaufte) Ausrüstungsgegenstände aufmotzen, eine Entwicklung der Helden findet allerdings nicht statt.
Zumindest bis jetzt kommt das Shop-System des Speils völlig ohne In-App-Käufe daher. So mancher, der sich die Zähne an den Missionen ausbeißt, wird dies vielleicht bedauern.
Der Einstieg ins Spiel ist nicht ganz leicht. Es gibt zwar eine Einführungsmission, die nach der Methode Learning-by-Doing abläuft, dabei werden allerdings nur basale Spielelemente nähergebracht.
Der Schwierigkeitsgrad ist zunächst moderat, steigt aber dann rasch an. Die letzten Missionen wird man ohne sorgfältiges Spielen kaum beim ersten Mal schaffen. Unten gibt es deshalb eine kurze Hilfestellung. Für diejenigen, die sich den Spaß nicht nehmen lassen wollen, alles auf eigene Faust herauszufinden, gilt hier Spoiler-Warning.
Ein Highlight von Arcane Quest ist für mich die Sicherung des Spielstands. Man kann ein angefangenes Abenteuer/Verliese zu jeder Zeit unterbrechen und später wieder aufnehmen. So lassen sich zähen Dungeons unterwegs in kleinen Häppchen bewältigen!
Hat man die eingebauten Abenteuer absolviert, kann man mithilfe des Quest Editors unter Windows weitere Karten selbst erstellen und online im Quest Market zum Download anbieten sowie von Community-Mitgliedern erstellte Abenteuer laden und offline spielen. Die Qualität der Community-Abenteuer ist naturgemäß schwankend. Einen (online) Multiplayer-Modues gibt es dafür, soweit ich gesehen habe, bislang nicht!
Die Musik ist stimmungsvoll und Genre-entsprechend; aber die Geschmäcker sind sicher unterschiedlich. Weniger attraktiv finde ich die Sound-Effekte. Obwohl die meisten ganz passabel sind, nerven sie doch ziemlich schnell. Dies liegt aber nicht zuletzt am repetitiven Charakter des Spiels selbst.
Grafisch macht das Spiel nicht viel her, ist aber auch nicht unattraktiv. Es ist komplett in 2D gehalten und läuft flüssig und ohne hohen Akku-Verbrauch bei kaum wahrnehmbarer Erwärmung des Gerätes.
Das ist zwar lokalisiert, allerdings nur holprig. An manchen Stellen kann man nur raten was der Übersetzter einem eigentlich sagen wollte.
Letztlich ist das Spiel wohl vor allem für Fans klassischer Tabletop RPGs und Anhänger von HeroQuest interessant. Wer jedoch keine Dungeon-Crawler mag, sollte lieber Abstand nehmen.
Neben der kostenlosen Fassung existiert auch eine Kauf-Version. Mit der Ultimate Edition für 99 Cent werdet ihr nicht nur die Werbung los, sondern bekommt auch noch einige neue Kampagnen hinzu.
Coming Soon: Arcane Quest 2
Schon bald soll Arcane Quest 2 erscheinen. Recht viel ist dazu noch nicht bekannt, erste Eindrücke liefert folgender nett gemachte Trailer. Es wird aber scheinbar um einiges mehr an Ausrüstung geben, wie sich aus den In-Game-Grafiken entnehmen lässt.
Es gibt zudem ein Beta-Programm, wer Lust hat, kann sich per E-Mail bewerben.
Arcane Quest Spielguide
- Neben Gegnern machen einem vor allem Fallen das Leben schwer. Verwendet beim Betreten eines Raumes nach Möglichkeit immer die Durchsuchen-Funktion (Lupe). Dies ist auch deshalb nötig, weil neben Fallen auch Geheimtüren und verborgene Winkel aufgedeckt werden.
- Ist ein Räum gesäubert oder gerade Zeit, solltet ihr die Schatzsuche-Funktion (Truhe) starten.
- Versucht Monster immer in Überzahl anzugreifen. Engstellen und Türeingänge eigenen sich hierfür besonders gut. Die KI der Monster ist den Namen nicht wert; es wird m.M. immer der schwächste Held angegriffen, häufig blockieren sie sich dabei gegenseitig.
- Vermeidet euch selbst im Weg zu stehen. Auf gerade Strecke kann man zwar üblicherweise über einen anderen Helden „springen“, bei Gegnern und Engstellen funktioniert dies allerdings nicht, sodass es leicht vorkommt, dass ein Held unnütz herumsteht.
- Die Reihenfolge der Aktionen während eines Zuges ist von Bedeutung: Erst kämpfen, dann gehen oder eben umgekehrt. Was nicht funktioniert, ist: gehen, kämpfen, weitergehen.
- Versucht beim Feindkontakt möglichst die Angriffsinitiative, d. h. den ersten Angriff zu bekommen. Durch geschicktes Hin- und Herlaufen können so Gegner ausgeschaltet werden, ohne dass sie je eine Chance zum Angriff hatten.
- Teilweise hilft nur laufen; versucht also nicht zwanghaft jeden Gegner zu killen, auch wenn dies etwas Geld bringt.
- Selbiges gilt auch für Fallen: Manche Falle sollte man stehen lassen, da sie auch den Weg der Monster blockieren. Achtet diesbezüglich auch auf die Wege der Monster, sie können einen Hinweis darauf geben, wo Fallen sind. Ansonsten gilt: Suchen, suchen, suchen.
- Achtet bei der Ausrüstung darauf, dass auch wirklich alles vergeben ist. Die jeweiligen Charaktere können nur bestimmte Ausrüstungsgegenstände in bestimmten Kombinationen benutzen. Wenn einem Charakter etwa ein Rüstungsteil angelegt wird, wird möglicherweise ein anderer Teil der Ausrüstung abgelegt. Was nicht nutzbar ist, sollte verkauft und in hochwertigere Ausrüstung investiert werden.
Es gäbe noch einiges mehr zu berichten, aber ich will euch ja nicht den ganzen Spaß verderben. Die Tipps lassen sich insofern ach auf HeroQuest anwenden; hier gibt es aber bestimmt bessere Anleitungen.
Oh.mein.Gott. Heroquest war zusammen mit Starquest mein absolutes Lieblingsbrettspiel! Tolles Review und von meiner Seite auch ein herzliches Willkommen in unserem Team!
Danke. Bin gerne dabei. Ich hatte schon Angst mit einem so ellenlangen Artikel Leser zu vergraulen 😛
FGH aka @wp78de