Verbogene iPhones, vermasseltes Update. Nach den anfänglichen Erfolgsmeldungen rund um das iPhone 6 waren die letzten Tage ein PR-Disaster für den erfolgsverwöhnten Apple-Konzern.
Nun geht Apple in die Gegenoffensive und folgt bei seiner Reaktion auf den Bentgate-Skandal einer bewährten Dreifach-Strategie:
1) Das Problem kleinreden. Laut Apple kamen von Millionen verkaufter iPhones bisher nur 9 wegen eines verbogenen Gehäuses zurück. Es komme bei normaler Nutzung also nur extrem selten vor, dass sich das iPhone 6 verbiegt, teilte eine Apple-Sprecherin mit.
2) Transparenz demonstrieren. Traditionell Apple-freundliche Techblogs wie The Verge oder das von Steve Jobs Freund Walt Mossberg gegründete Re/Code wurden durch Apple’s Testlabor geführt. Sie sollten Bilder produzieren, die zeigen, wie gründlich Apple’s Qulitätskontrolle arbeitet.
3) Kritiker kaltstellen. Medien, die nach Meinung des Apple-Konzerns zu kritisch über Bentgate berichteten oder das Problem zu sehr hochgespielt haben, werden durch den Entzug von Privilegien bestraft, verlieren also ihren Zugang zu Apple’s Events und Testgeräten.
Das ist der finstere Teil von Apple’s PR-Strategie, der in der Öffentlichkeit viel zu selten wahrgenommen wird. Dabei verfährt der Tech-Riese seit Jahren so, wenn es darum geht die öffentliche Meinung in seinem Sinne zu beeinflussen.
Dieses Mal scheint Apple’s Medienkontrolle hierzulande ein prominentes Opfer gefunden zu haben: Computerbild – Deutschland’s größte Computerzeitschrift – wird offenbar von Apple mit einem Bannstrahl belegt. Das teilte ihr Chefredakteur Axel Telzerow heute auf Twitter mit:
Was hat sich Computerbild zu schulden kommen lassen? Nun, sie haben selbst Hand angelegt und den „Biegetest“ gemacht. Hier ist das Video, mit dem Computerbild die Gunst von Apple verspielt hat:
Sicherlich wird Apple nicht gefallen haben, dass ihr Produkt im Vergleich mit Samsung’s Galaxy Note 3 schlecht da steht. Und vielleicht war die Schlussfolgerung des Computerbild-Redakteurs, man müsse mit dem iPhone 6 Plus „besonders vorsichtig sein“ ein wenig voreilig – immerhin ist fraglich, ob das Smartphone bei normaler Alltagsnutzung wirklich einer solchen Belastung ausgesetzt ist, wie hier in den Händen von Herrn Telzerow. Aber im Grunde ist im Beitrag von Computerbild auch nichts anderes zu sehen als in den Videos von Unbox Therapy, die in den vergangenen Tagen millionenfach geklickt wurde.
Ob Bentgate wirklich nur eine Social-Media Blase ist, oder ein handfester Skandal, wird sich in den kommenden Wochen und Monaten zeigen. Bei Produkten mit dem angebissenen Apfel ist der Medienhype immer eine Nummer zu groß – ob um Guten oder im Schlechten. Aber die Berichte über verbogene iPhones haben durchaus legitime Fragen über die Qualität und Widerstandsfähigkeit von Apple’s 1000 Euro Smartphones aufgeworfen. Fragen, die potentielle Kunden interessiert haben und immernoch interessieren. Und da ist es absolut legitim als Journalist selber Hand anzulegen, um die Berichte zumindest auf ihre Plausibilität zu überprüfen.
Leser unseres Blogs wissen, dass wir wahrlich keine Fans von Computerbild sind. Aber in diesem Fall muss ich die „Kollegen“ entschieden verteidigen. Hätten wir das Budget, um ein iPhone zu schrotten, hätten wir das Gleiche gemacht.
Die Reaktion von Apple kann auch niemanden überraschen, der mit dem Geschäftsgebahren der Firma wirklich vertraut ist. Das Instrumentalisieren von freundlich gesinnten Bloggern und Journalisten ist seit Jahren ebenso Teil von Apple’s PR-Strategie, wie das Abstrafen von kritischen und unangenehmen Berichterstattungen. An dieser Stelle sei nochmal auf den hervorragenden Artikel von Mark Gurman verwiesen, der detailliert beschrieben hat, mit welchen Methoden der Tech-Riese aus Cupertino die Medien beherrscht.
Seeing Through The Illusion – Understanding Apple’s Mastery of the Media
Nun muss man natürlich fragen: Hat Apple nicht seinerseits das Recht so zu verfahren, um seine Interessen zu schützen? Juristisch haben sie das, natürlich. Niemand kann Apple verklagen, weil er keine Einladung zur nächsten Keynote bekommt. Aber moralisch? Was sagt es über die Werte eines Konzerns aus, wenn er so wenig Respekt vor Journalisten, Bloggern und Kunden hat, dass er ihnen nicht einmal das Recht zugestehen will, seine Produkte selbst in die Hand zu nehmen und so zu drücken, zu ziehen oder zu biegen, wie es ihnen beliebt?
UPDATE: COMPUTER BILD Chefredakteur Axel Telzerow reagierte mittlerweile mit einem offenen Brief an Apple-Chef Tim Cook. Hier das Schreiben im Wortlaut:
Lieber Tim Cook!
Wie viele andere technikbegeisterte Menschen haben wir mit feuchten Händen aufs neue iPhone gewartet. Mit einem begeisterten „Da ist sie!“ rannte unser Ressortleiter Christian Just durch die Flure, als er endlich die Einladung zum großen Event in den Händen hielt. Und natürlich sind wir zu Ihnen nach Kalifornien geflogen, um unseren Lesern so schnell wie möglich zu zeigen, woran Sie so lange und so hart gearbeitet haben.
Als dann die ersten Berichte über ein mögliches Knickproblem beim neuen iPhone auftauchten, konnten wir das unseren Lesern natürlich nicht verschweigen. Denn sie wissen und erwarten, dass wir jeden Schwachpunkt offenlegen. Also kauften wir ein iPhone 6 Plus und versuchten, es zu verbiegen. Und das gelang erschreckend einfach, zum Beweis ließen wir eine Videokamera mitlaufen.
Das Ergebnis hat sicher nicht nur die 200.000 COMPUTER BILD-Leser erschreckt, die sich das Video bisher angeschaut haben. Sondern wohl auch Ihre PR-Mitarbeiter. Anders können wir uns nicht erklären, warum am nächsten Morgen einer von ihnen bei unserem Volontär Christian Blum anrief. „Ab sofort bekommt ihr keine Testgeräte mehr, und zu Events werdet ihr auch nicht mehr eingeladen“, so der Herr am Telefon. Einen schönen Tag wünschte er noch.
Lieber Herr Cook – stellen Sie sich so den Umgang mit kritischer, unabhängiger Presse vor? Glauben Sie ernsthaft, wir würden uns von Ihrem Liebesentzug einschüchtern lassen? Zum Glück sind wir auf Ihre Testgeräte nicht angewiesen. Denn unsere vielen Leser ermöglichen mit ihrem Kauf von COMPUTER BILD, dass wir auch dann Geräte unabhängig testen, wenn Hersteller Angst vor unserem Urteil haben. Auch wenn wir über Ihre Reaktion ehrlich bestürzt und verärgert sind, weichen wir keinen Millimeter von unseren Grundsätzen ab: Wir machen ehrliche Tests, auch beim neuen iPhone. Und gratulieren Ihnen anstandslos zu einem großartigen Gerät (mit einer leichten Gehäuseschwäche). Über die Respektlosigkeit aber, mit der Ihre Firma uns begegnet, sind wir zutiefst enttäuscht.
Mit freundlichen Grüßen,
Axel Telzerow
Das hätte ich nie gedacht, das Computerbild Apple als schlecht darstellt. Und das Sie das auch noch Offiziell mitteilen das sie von Apple dafür bestraft werden. Eventuell werden Sie ja jetzt freundlicher gegenüber WP Geräten.
Gruß Klunkerbill
Das schlimmste kommt noch: Laut NeoWin testet Apple mit WinXP Rechnern ihre Produkte. Unfassbar 😉 Darf man denen nicht krumm nehmen.
http://www.neowin.net/news/apple-is-still-using-windows-xp-in-its-iphone-6-testing-labs