Amazon, IBM, Google und Microsoft haben in den vergangenen 24 Stunden eine Änderung im Umgang mit gesammelten Gesichtsdaten bekannt gegeben. Es lohnt sich ein wenig genauer in die von den genannten Unternehmen abgegeben Statements zu schauen. Amazon greift dabei tief in die Corporate PR-Trickkiste und wird dafür – völlig unkritisch – von weiten Teilen der Presse gelobt.
Gesichtsdaten: Techfirmen boykottieren US-Polizei
Die Protestwelle, die durch den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd durch den Polizisten Derek Chauvin ihren Anfang genommen hat, ebbt auch nach zwei Wochen nicht ab. Die US-Polizei steht dabei unter massiver Kritik. Der Vorwurf des systemischen Rassismus wird durch immer neue Videos von Polizeigewalt gegenüber Schwarzen bekräftigt.
Amazon nahm die Situation als Anlass und erklärte als erstes großes Techunternehmen, dass man seine Gesichtserkennungstechnologie „Rekognition“, der US-Polizei ab sofort nicht mehr zur Verfügung stellen werde. Der Handelsriese erntete dafür von weiten Teilen der Presse lobende Worte. Was wahrscheinlich IBM kurz darauf dazu veranlasste ein ähnliches Statement zu veröffentlichen. Schließlich erklärten auch Google und Microsoft, dass ihre Gesichtsdaten nicht (mehr) an die Polizei verkauft würden. PR-Win für alle – Yippie-Yah-Yei!
Ein winzig kleines Detail im Statement der Moralpioniere von Amazon, bleibt aber weitestgehend unbeachtet. Hier die Erklärung im Wortlaut:
Wir setzen ein einjähriges Moratorium für die polizeiliche Nutzung der Gesichtserkennungstechnologie von Amazon ein. Wir werden weiterhin Organisationen wie Thorn, dem Internationalen Zentrum für vermisste und ausgebeutete Kinder und Marinus Analytics erlauben, die Amazonas-Erkennung zur Rettung von Menschenhandelsopfern und zur Wiedervereinigung vermisster Kinder mit ihren Familien einzusetzen.
Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Regierungen strengere Vorschriften zur Regelung des ethischen Einsatzes der Gesichtserkennungstechnologie erlassen, und in den letzten Tagen scheint der Kongress bereit zu sein, sich dieser Herausforderung zu stellen. Wir hoffen, dass dieses einjährige Moratorium dem Kongress genügend Zeit geben wird, um entsprechende Vorschriften umzusetzen, und wir sind bereit, falls gewünscht, zu helfen.
Na, gemerkt? Im Gegensatz zu beispielsweise Microsoft, gibt Amazon direkt eine zeitliche Begrenzung von einem (1) Jahr an, in der die Polizei die Gesichtserkennungstechnologie nicht nutzen darf. Diese Frist solle die Regierung nutzen, um „strengere Vorschriften zur Regelung des ethischen Einsatzes der Gesichtserkennungstechnologie erlassen“ – HA HA HA.
Was Amazon hier macht ist an Zynismus kaum zu überbieten. PR-Gummipunkte absahnen, ein paar Monate warten und dann wieder „Business as usual“. Erste Sahne.
Kleiner Fun Fact: Amazons „Rekognition“ klingt nicht nur bescheuert, der Algorithmus ist auch rassistisch.
Es ist mir schleierhaft wieso Amazon hier nicht viel mehr Gegenwind bekommt. Die anderen Techriesen wollen vielleicht auch nur ein paar Sympathiepunkte einsacken, wenigstens sind sie dabei aber ein wenig raffinierter.
Das ist mir genau dann zynisch, wenn man die gesamte Polizei über einen Kamm schert, ihre Arbeit und Daseinsberechtigung nicht würdigt und ihr am besten alle Hilfsmittel zur Strafverfolgung und – vereitelung entziehen würde. Willkommen Anarchie.
Sehe ich genauso.