Quantencomputer sind momentan die große Hoffnung in der Technikwelt. Auch Microsoft scheint Potential darin zu sehen, immerhin wurden einige hochrangige Wissenschaftler in Redmond engagiert um die Forschung dort voranzubringen. Aber was will Microsoft damit? Und wo sehen Experten die Stärken der Technologie? All das soll in diesem Artikel beleuchtet werden, außerdem werfen wir einen Blick zu D-Wave, dem von Google, NASA und womöglich auch von der CIA finanzierten Unternehmen. Wem die Funktionsweise eines Quantencomputers oder Quantenprozessors noch unklar ist, der darf gern zuerst unseren Erklärartikel lesen und anschließend wieder zurückkehren.
Microsoft
Fangen wir mal bei unserem Lieblingsunternehmen an. Wenn man sich das Team um Todd Holmdahl anschaut, scheint das Ganze etwas solides zu werden.
Todd Holmdahl
Diesem Mann sollten wir dankbar sein. Er ist langjähriger Mitarbeiter und war federführend bei der Entwicklung von Xbox, Kinect und der HoloLens. Somit wird seine Rolle vor allem darin bestehen zwischen den Ingenieuren und den Wissenschaftlern zu vermitteln. In den bisherigen Projekten soll sein Talent geholfen haben, unglaubliche Ideen in die Tat umzusetzen.
Er sieht die bisherigen langwierigen Investitionen Microsofts auf dem Feld der Quantenmechanik als richtig an und hat eine klare Roadmap zu einem skalierbaren Quantencomputer im Kopf. Leider ließ er uns noch nicht daran teilhaben.
Leo Kouwenhoven
Der Lebenslauf spricht für sich. Kouwenhoven war an mehreren wissenschaftlichen Durchbrüchen beteiligt. Selbstverständlich alle im Bereich der Nanotechnologie. Bereits als Student konnte er bestimmte Leitfähigkeiten als erster nachweisen. Außerdem konnte er deutliche Fortschritte in der Arbeit mit Elektronenspins erreichen. (Elektronenspin heißt nichts anderes als der quantenmechanische Zustand von Elektronen und bezeichnet den Eigendrehimpuls – siehe Erklärartikel weiter oben)
Charles M. Marcus
Er studierte an der renommierten Universität von Harvard, alleine der Ruf dieser Uni reicht für eine Jobgarantie. Marcus‘ aktuelle Forschung am Nils Bohr Institut dreht sich vor allem um die physische Realisation von Quanteninformationsprozessen, sprich Quantenprozessoren und quantenmechanische Kohärenz in elektronischen Geräten. Kohärenz ist das Zusammenspiel verschiedener Wellen und deren Wirkung aufeinander. Zur Erinnerung: Im Bereich der Quantenmechanik ist alles als Welle darstellbar und da kann Dekohärenz zwischen den einzelnen Teilchen ziemlich stören.
Sowohl Marcus als auch Kouwenhoven haben bereits an der theoretischen Grundlage für die aktuelle praktische Forschung bei Microsoft gearbeitet.
Matthias Troyer
Troyer ist quasi ein Kind der ETH Zürich, dort erhielt er seinen Abschluss nachdem er zuvor kurz in Linz studierte. Bis auf einen kurzen Abstecher an die Uni in Tokyo konzentrierte sich seine wissenschaftliche Arbeit auf Zürich. Dort forscht er vor allem an Simulationsalgorithmen für quantenmechanische Vielkörpersysteme, Phasenübergängen, korrelierten Materialien, ultrakalten Gasen und Quantengeräten.
David Reilly
Reilly arbeitete zeitweise an der Hochschule in Harvard. Mittlerweile lehrt er an der Universität in Sydney. Dort liegt der Fokus des Experimentalphysikers auf dem Gebiet der quantenmechanischen Nanowissenschaft. Er forscht an der Quanteninformationsverarbeitung in Systemen mit flüssigem oder festen Aggregatszustand, Quantenkontrolle und -messtechnik, kryotechnischer Hochfrequenzelektronik, wechselwirkenden Elektronensystemen auf Nanoebene, Spinsensoren und –messtechnik, Transport auf der Ebene zwischen der Makroskopie und Mikroskopie sowie an der Herstellung von Nanostrukturen.
Microsofts Gründe
Die Fähigkeiten dieser Köpfe deuten darauf hin, dass man in Redmond Nägel mit Köpfen machen und einer der Ersten mit einem echten Quantencomputer sein will. Oder wie es Leo sagte: „Microsoft bringt hier quasi die Quanten-Avenger als Team zusammen.“ Ich würde dieses Team als perfekt geeignet für eine physische Realisation eines Quantencomputers bezeichnen.
Man geht sogar einen Schritt weiter und entwickelt parallel zur Hardware gleich auch die passende Software. Zur Anwendung sagt Microsoft selber nichts. Das Team will sich alle Möglichkeiten offen lassen. Es geht bei diesem Projekt mehr darum einen skalierbaren Quantenprozessor zu realisieren und dann zu schauen, was damit überhaupt geht.
Denn was uns die Geschichte der Computertechnik gelehrt hat, ist doch die Tatsache, dass wir uns jetzt noch nicht vorstellen können, was möglich sein wird. Oder konnten sich die Menschen in den 40ern und 50ern, als der Transistor entwickelt wurde, vorstellen, was wir heute alles damit berechnen?
D-Wave
Und was macht der momentan stärkste Konkurrent?
D-Wave bleibt in der Kritik von Experten. Die Computer werden zwar von D-Wave als Quantencomputer bezeichnet, Experten wie David DiVincenzo, würde die Rechner nicht als solche betiteln. DiVincenzo gibt zwar zu, dass der D-Wave-Rechner gewisse Eigenschaften nutzt, die auch Quantenprozessoren nutzen. Aber die Qubits sind nur für einen kurzen Moment, hier wird von Nanosekunden (0,000000001s) gesprochen, in jenem undefinierten Zustand zwischen 0 und 1.
Dadurch, so die Einschätzung von DiVincenzo, werden die Computer von D-Wave auch in Zukunft nur in wenigen Anwendungen herkömmlichen Prozessoren überlegen sein.
Wieso sollte man David DiVincenzo glauben schenken?
Der Grund ist ganz einfach: Er ist einer der herausragendsten Köpfe unter theoretischen Physikern. Sein Name ist fest mit Kriterien, die ein Quantencomputer vorweisen muss, verbunden. Diese DiVincenzo-Kriterien gelten auch noch heute – wenn DiVincenzo sagt, dass es kein Quantencomputer im engeren Sinne ist, dann ist es auch keiner.
Außerdem sagte er schon zu Beginn der Forschungen an organischen Quantencomputern vorraus, dass diese nicht unendlich skalierbar seien. So war es dann auch und es blieb bei einzelnen Qubits.
Wohin geht die Reise?
Momentan starten neue Forschungen an skalierbaren Quantenprozessoren im Rahmen einer Zusammenarbeit des Forschungszentrums Jülich, der Hochschule Aachen und dem KIT in Karlsruhe. Unter anderem ist hier auch David DiVincenzo beteiligt. Dieses Projekt erhielt erst vor kurzem eine Millionenförderung der Helmholtz-Gemeinschaft. Der Namenspatron, Helmholtz, war ein Universalgenie der deutschen Wissenschaftswelt im 19. Jahrhundert. Thermodynamik-Studenten werden vor allem die Gibbs-Helmholtz-Gleichung kennen.
Sowohl das Team um Todd Holmdahl als auch Experten wie David DiVincenzo sind sich einig, dass wir im privaten Bereich eher weniger Quantencomputer als Heimrechner sehen werden. Die Vorteile liegen mehr in speziellen Themen, wie der Simulation von Materialien und der Lösung von bestimmten mathematischen Problemen. Bei der Mathematik kommt auch schnell wieder die Kryptographie ins Spiel, sobald Quantencomputer wirklich einsatzbereit sind, können wir bisherige Verschlüsselungen vergessen. Sicherheit bieten quantenmechanische Kommunikationsnetze, dort werden Lauschangriffe sofort bemerkt.
Als Endkunden werden wir wohl höchstens Quantencomputer sehen, wenn eine KI für solche Prozessoren entwickelt werden kann. Dann werden wir einen hochintelligenten digitalen Assistenten oder eine Assistentin haben. Vielleicht wird Cortana dann noch intelligenter als ihr Vorbild aus Halo.
Mit der Geschwindigkeit, in der momentan auf diesem Feld geforscht wird und den namhaften Firmen, die eingestiegen sind, muss ich meine ursprüngliche Meinung zur Marktreife, „Later this century“, revidieren. Zusammen mit der Aussage DiVincenzos, der Quantencomputer kurz vor der Marktreife sieht, kann man wohl beruhigt sagen, dass es noch maximal 10 Jahre dauert.
Bei diesem Artikel handelt es sich teilweise auch um einen Meinungsartikel des Autors.
Quellen Microsoft Blog, Kouwenhoven Lab, Niels Bohr Institut, ETH Zürich, Universität Sidney, Datacenter-Insider
Ist ja mal wieder sehr interessant
Schwer abzuschätzen ob das noch zehn, fünfzehn oder fünfzig Jahre dauern wird. Immerhin einige erfolgreiche Mini Experimente gab es ja schon.
Wir werden einen reellen Quantencomputer, noch, vor einem reellen Fusionsreaktor zu sehen bekommen…!
„reell“ ist das falsche Wort. „marktreif“ passt besser. Denn Experimente haben in beiden Projekten bereits statt gefunden und die zwei angesprochene Themen haben somit bereits „reelle“ Ergebnisse vorzuweisen. Nur die Nutzungsdauer und die Umgebungsbedingungen sind noch nicht genug ausgereift, um wirtschaftlich nutzbare Arbeit vorzuweisen.
„Sorry, meine Fremdsprache ist die der Natur (Mathematik)…“
Sorry, mein Kommentar war von mir konstruktiv, aber keines falls böse gemeint. Ich weis ohne Quellenangabe nicht, wo das Zitat herstammt, aber ich verstehe jetzt nicht den Zusammenhang. Selbst im mathematischen Zusammenhang ist „reell“ dann der falsche Ausdruck, dann wäre eher „natürlich“ besser geeignet, was sich aber im Sprachgebrauch wieder doof anhört. Nochdazu ist die reine Mathematik mehr der Versuch physikalische Gegebenheiten zu Umschreibung und nur oberflächlich als Fremdsprache zu verstehen. Morgen könnte schon jemand entdecken, dass alle Umschreibungen falsch sind. Und alle Formulierungen müssten umgeschrieben werden. Das könnte bei einer Sprache nicht passieren. *Klugscheißermodus off* Nichts für Ungut, es… Weiterlesen »
obwohl mir ein Fusionsgenerator ehrlich gesagt lieber wäre. Der Erde sicher auch. Aber vlt hilft ja der Quantencomputer dabei.
Doofe Frage meinerseits: War es Absicht oder ein Versehen Fusions“generator“ zu verwenden? Das könnte tatsächlich treffender den Prozess umschreiben als „Fusionsreaktor“. Fusionsgenerator gefällt mir 😉
Es ist doch erst interessant wenn wirklich etwas da ist, was Otto-Normalverbraucher auch nutzen kann. Vorher macht doch alles wenn und aber keinen Sinn. Sollen diese Leute erst mal was bringen…
Zitat von Erwin Schrödinger, zum Thema Verschränkung
Wir müssen von unseren lieb gewonnen Vorstellungen, wie unsere Welt beschaffen ist, abschied nehmen. Entweder sind unsere Vorstellungen vom Raum und Zeit nicht mehr richtig oder die Physik beschreibt nicht die Wirklichkeit, sondern nur das, was unter Wirklichkeit gesagt werden kann.