Als Phone Designer ist Jonas Dähnert mittlerweile eine kleine Berühmtheit in der Windows Phone Community – und darüber hinaus. Der Produktdesigner aus Erfurt begeistert uns regelmäßig mit 3D-Renderings von Smartphones und anderen Gadgets, die sich häufig wie ein Lauffeuer im World Wide Web verbreiten. Manchmal lässt er dabei seiner Kreativität freien Lauf und konfrontiert uns mit der spannenden Frage: Was wäre wenn?, während er andere Male auf Grundlage von Leaks und/oder Gerüchten einen Blick in die Zukunft wagt. Jonas Dähnert stand WindowsUnited für ein exklusives Interview zur Verfügung. Ein Gespräch über Windows 10, gutes Design und die Zukunft des Smartphones.
WindowsUnited: Jonas, als „Phone Designer“ hast du es in der Community zu einiger Bekanntheit gebracht. Deine Konzepte von Windows Phones und anderen Gadgets gehen regelmäßig um die Welt. Was ist dein Hintergrund? Ist Grafik Design ein Hobby, oder tatsächlich dein Beruf?
Jonas Dähnert: Ich bin tatsächlich Produktdesigner. Ich habe Produktdesign an der Bauhaus Uni in Weimar studiert und bin jetzt seit 2 Jahren selbstständig und in der Industrie tätig. Meine Arbeiten hinter dem Pseudonym „Phone Designer“ können eigentlich nur als Hobby betrachtet werden – reines Nerdtum -, um sich richtig auszutoben, weil ich auch ein Tech-Nerd bin. Meine Faszination für Smartphones aller Art reicht sehr weit zurück, bevor die meisten überhaupt wussten, was Smartphones sind. Ich bin damit groß geworden.
Warum gerade Windows Phones? Bist du ein Fan der Plattform?
Nicht unbedingt, das hat anders angefangen. Ich hatte mit einem Freund ein kleines App-Studio namens Palladium Power gegründet. Ursprünglich wollten wir Spiele für die Xbox 360 entwickeln. Und dann kam mit Windows Phone eine neue Plattform von Microsoft heraus, und wir haben uns gedacht: Ok, dann können wir mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wir entwickelten unsere Apps mit dem XNA Development Kit, das sowohl Xbox als auch Windows Phone unterstützte. Und so bin ich dann in die Plattform reingekommen.
Gibt es für dich trotzdem etwas, das Windows Phone besonders macht? Oder könntest du mit gleicher Freude und Begeisterung auch Android Geräte oder iPhones designen?
Ich habe auch schon iPhones-Konzepte designed… . Es gibt nur so unglaublich viele, die sich an Apfelprodukten versuchen. Das ist so inflationär, ich kann’s eigentlich nicht mehr sehen. Ich fing dann an, iPhones zu verbiegen, das hat dann mehr Buzz erzeugt. *lacht*
Aber was mich an Windows Phone schon immer begeisterte, war die sinnvolle Ausnutzung der Bildschirmfläche durch die Live-Tiles und der Fokus auf Typographie. Diese Puristik löste damals eine ziemliche Diskussion aus. Viele meinten, es sehe aus wie aus den 80ern, weil die Glanz-, 3D- und Schatteneffekte, die wir bis zu diesem Zeitpunkt von Windows 7 oder iOS kannten, fehlten. In Sachen Flatdesign war Microsoft sicherlich ein Vorreiter. Ich bin ein Fan von klarer Gestaltung. Deshalb bin ich auch bei diesem OS geblieben. Ich befürchte aber, dass mit Windows 10 diese klare Gestaltung zum Teil über Bord geworfen wird.
Von der Windows 10 Preview warst du also nicht so begeistert?
Nein. Zum einen habe ich etwas gegen schlecht zu erreichende Hamburger-Menüs, hinter dem sich vollgestopfte Menüs befinden. Zum anderen bin ich auch kein Fan von halbtransparenten Kacheln, weil dann die Kachelfarbe mit einem darunter befindlichen Hintergrundbild schlicht verwaschen aussehen. Zum Glück lässt Microsoft uns Usern die Wahl zu entscheiden, wie wir unseren Homescreen gestalten.
Bei der Gestaltung der Phone-UI fielen mir auch einige Inkonsistenzen auf. Die Tatsache, dass das Einstellungsmenü zwar endlich aufgeräumter daherkommt, ist natürlich schön, aber die damit neu dazu gekommenen Icons erinnern schon stark an ältere Androidversionen.
Im Generellen sieht noch alles ziemlich zusammengewürfelt aus. Aber was man bisher gesehen hat, ist sicherlich auch noch mit einer sehr heißen Nadel gestrickt. Ich denke nicht, dass die Gestaltung so bleiben wird.
Richtige Hintergrundbilder waren offenbar eine häufige Forderung der User. Microsoft hört jetzt zum ersten Mal so konsequent auf das Benutzer-Feedback. Da ist es sicherlich auch schwierig zu entscheiden: welche Wünsche übernimmt man, welche verwirft man wieder.
Das ist im Designprozess generell schwierig… . Jeder hat so seine Ideen und Vorlieben, aber nicht jeder hat das Hintergrundwissen, oder betrachtet die Plattform als Ganzes. Manchmal ist es auch gut, eine Funktion wegzulassen, weil sie negative Auswirkungen auf die Usability haben könnte. Das ist immer eine schwierige Abwägung.
Du meinst, ein guter Designer hört nicht immer auf das, was sich die Kunden wünschen?
Ja, genauso ist es. *lacht* Was aber nicht bedeutet, Wünsche und Anregungen der Nutzer zu ignorieren – im Gegenteil!
Und was ist mit der HoloLens? Hat dich die beeindruckt? Wirst du in Zukunft deine Designs gleich in 3D im HoloStudio machen?
Also… erstmal: Nein. Das ist natürlich Quatsch. Schnell in 3D einen Quadrocopter zusammenwürfeln, dann sofort ausdrucken, und daraufhin kann er gleich fliegen. Das war die Assoziationen, die ich während der HoloLense-Produktvorstellung bekam. Aber das war von der Microsoft Marketingabteilung natürlich stark verkürzt. Ein richtiges CAD Programm wird das auf lange Sicht nicht ersetzen.
Die These, dass man 3D Modelle am besten in 3D baut, klingt aber sehr überzeugend. Was ist daran falsch?
Man betrachtet sie am besten in 3D. Für den Entwicklungsprozess macht es natürlich Sinn, Entwürfe in verschiedenen Entwicklungsphasen realistischer zu betrachten. Aber es fängt immer mit Handzeichnungen auf einem weißen Blatt Papier an. So etwas wie die HoloLens wird für richtige Designarbeiten einfach noch zu langsam und lediglich für einige Workarounds von Bedeutung sein.
Oft höre ich: Die Maus hat ausgedient. Aber das stimmt nicht! Mit der Maus ist man in vielen Dingen immer noch am Schnellsten, einfach weil unsere Produktiv-Betriebssysteme darauf ausgelegt sind. Das wird eine ganze Weile so bleiben.
Die meisten deiner Konzepte sind allein aus deiner Kreativität entstanden. Manchmal versuchst Du aber auch anhand von Leaks oder Gerüchten nachzuempfinden, wie ein kommendes Produkt tatsächlich aussehen könnte. Was macht dir mehr Spaß? Und was ist die größere Herausforderung?
Mehr Spaß macht es schon, eigene Konzepte zu entwickeln. Wie zuletzt das Spinner Phone. Aber dieses Detektivische macht auch sehr viel Spaß. Wenn man nur ein, zwei Hinweise hat, etwa ein Stück vom Chassis und sich dann überlegt: Wie sah die Gestaltung des Vorgängers aus, und wie könnte diese sich beim Nachfolger weiterentwickeln? Beim Lumia 830 war das so ähnlich. Da gab es ein paar verschwommene Leaks, auf deren Grundlage ich die Renderings erstellte.
Und das hast Du ja fast eins-zu-eins getroffen…
Ja… zugegeben, das ist ehrlich gesagt nicht so schwer bei der aktuellen Lumia Designsprache. Auch der Leak machte bereits einen sehr fertigen Eindruck, daher änderte sich nicht mehr viel am Design des richtigen 830.
Dein Konzept des Smartbands, das später das Microsoft Band werden sollte, war auch nicht weit daneben.
Das war echt ein Glücksschuss. Ich wusste nicht viel davon, nur dass das Display an der Innenseite des Handgelenks sein soll. Deshalb recherchierte ich ein wenig über die am Markt erhältlichen Fitnessbänder. Wie sehen derzeitige Fitnessbänder aus, welchen Anforderungen müssen sie standhalten und wie sehen die zukünftigen Trends aus? Daraus ergab sich der Rest ziemlich logisch.
Warum meintest du ein Lumia Design zu erraten sei nicht so schwer? Findest du sie mittlerweile uninspiriert?
Die Lumias sind auf einen gewissen Punkt reduziert, sodass man aufpassen muss, dass es nicht langweilig wird. Was aber nicht bedeutet, dass die Optik schlecht ist.
Ich finde zum Beispiel das Lumia 730 von der Gestaltung noch schöner, als das Lumia 800, 900, 920…. Es ist für mich der krönende Abschluss dieser Designlinie, die Nokia damals „Fabula“ taufte. Aber noch mehr sollte diese Optik nicht recycelt werden.
Und was kommt jetzt? Eher das „boxy“ Design mit dem Aluminiumrahmen wie beim Lumia 830?
Der Metallrahmen wurde ja schon mit dem Lumia 925 eingeführt. Es hält sich also bereits zwei Generationen.
Sehr inspirierend finde ist dieses „Iceblock Design“ des neuen Lumia 532, welches mit einer durchsichtigen Acrylblock-artigen Schicht überzogen ist. Ähnlich wie damals das Nokia X2. Ein echter Hingucker, vor allem schön klein. Ich muss sagen, ich vermisse kleine Telefone. Es gibt heutzutage viel zu wenige davon.
Wie dein Lumia 330 Konzept?
Genau, das war schön klein. *lacht*
Welche anderen Smartphones findest du besonders gelungen? Welches Modell war deiner Meinung nach ein Meilenstein aus Designsicht?
Ein Meilenstein war sicherlich das Lumia 800… Oder das Nokia N9, das war praktisch der inoffizielle Vorgänger davon.
Und außerhalb des Lumia Universums?
Ich empfand die Sony Ericsson Telefone immer als sehr schön, insbesondere das T610 – ein richtiger Verkaufsschlager damals! Was daran so spannend war, war dieser Materialmix aus Aluminium und Plastik. Das gab es in dieser Vollendung davor eigentlich nicht, die meisten Telefone waren bis dato reine Plastikbomber. Insofern hat es wirklich neue Wege eröffnet.
Uns ist aufgefallen, dass du gar kein iPhone erwähnt hast. Obwohl die doch in Sachen Design als Maß aller Dinge gelten.
Das hängt damit zusammen: Wenn du anfängst, Produktdesign zu studieren, kommt dir jeder mit der Apple Design Philosophie – ob Kommilitonen oder Dozenten. Zunächst sagen immer alle: Es darf bloß nicht aussehen wie ein iPhone! Und dann versucht doch jeder, dieser Ideologie zu folgen: alles schön reduzieren, unter Aluminium verpacken und vielleicht noch ein bisschen Glas dazu. Und schwupps, haben wir wieder Kühlschränke, Stühle oder Leuchten, die wie transformierte iPhones aussehen. Die meisten Designer haben nun einmal Apple Produkte – auch wenn ich nicht weiß, warum – und am Ende reden oder streiten alle nur noch über Apple. Das ertrage ich einfach nicht mehr!
Das erste iPhone revolutionierte schon die Touch-Bedienung und prägte den darauf folgend entstandenen Markt. Aber davon mal abgesehen, fand ich die Produktgestaltung des ersten iPhones fürchterlich.
Wie sieht die Zukunft aus im Smartphone Design?
Eine Entwicklung, die ich kritisch sehe, ist dieser Wahn den Displayrahmen (Bezel) immer kleiner zu gestalten. Für mich ist das nicht der Weg zu einem schönen Design, weil das Telefon dadurch seinen Charakter verliert. Dieser Hype wird aber weitergehen. Dann kommt der Hype um transparente Telefone. Vorher noch biegsame Telefone. Ein Smartphone ist mittlerweile ein Lifestyle-Produkt. Es geht schon lange nicht mehr um die Frage, wie man das Design im Sinne der Bedienbarkeit verbessern kann. Die Telefone, wie wir sie kennen, sind eigentlich fertig entwickelt. Das klingt ein bisschen traurig, ist aber so.
Jonas, wir danken dir für das Gespräch!
Das Gespräch führten Leo Klint und Königsstein.
Grafiken: facebook.com/PhoneDesigner
Phone Designer auf Twitter: @PhoneDesigner
Das Lumia 330 würde ich mir in dieser Form sicher kaufen, auch wenn ich kaum eine Verwendung dafür habe. Erinnert mich ein Wenig an den Ipod Nano von Apple, den ich auch super finde. Evtl. wäre das 330 dann als Musikgerät im Einsatz mit einer Prepaid-Notfall-Sim
Ja, das kleine Lumia 330 ist schon sehr cool. 🙂 Dank der großen Kacheln von WP könnte man es wohl auch einigermaßen bedienen. Nur Tippen stelle ich mir schwierig vor.
Mit einer T9-Tastatur kein Problem… Muss nicht immer QWERTZ sein… ^^
Jetzt, wo das 1520 nicht mehr verkauft wird – wäre das 330 der ideale Nachfolger 😉
Das wär auf jeden Fall mal ein geiler Gag, so ein Miniphone als L1520 Nachfolger zu präsentieren. 😀
Sehr cooles Interview. Ich verfolge PhoneDesigner auch schon eine ganze Weile. Mein absolutes Lieblingskonzept ist auf jeden Fall von dem Projekt, welches ich seit dem Surface 1 am meisten erwarte. Das Konzept von Surface Mini (http://kaiserkiwi.de/2014/05/interessantes-microsoft-surface-mini-konzept/) Es sieht einfach verdammt großartig aus und ganz ehrlich, ich würde es sofort kaufen.
Auf jeden Fall: Weiter so PhoneDesigner, ich liebe deine Konzepte.
Welche Apps hat er eigentlich auf Windows Phone gebracht?
Ja, stimmt, das Surface Mini Konzept ist auch sehr geil!
Palladium Power hat auf jeden Fall ein ganz cooles Game names Orb gemacht: https://www.windowsphone.com/de-de/store/app/orb/2bc13fa1-7c40-e011-854c-00237de2db9e
Danke für den Tipp, hab es mir mal installiert. Nach der Arbeit mal näher ansehen 😀