Letzte Woche hat sich mein Kollege Leo Klint ja schon in durchaus drastischen Worten über das aufgeblasene Ego von Jony Ive ausgelassen und erklärt, warum der Chefdesigner den Platz von Steve Jobs als Guru und spiritueller Leader von Apple eingenommen hat. Wir hatten eigentlich nicht vor daraus eine Serie zu machen, aber Jony liefert einfach zu gutes Material.
Diesmal geht es um ein Portrait von Ive, dem „Visionär hinter der Apple Watch“ auf der Webseite how to spend it. Das Magazin ist ein Ableger der Financial Times und richtet sich an die Reichen und Super-Reichen dieser Welt mit Tipps, wie sie ihr hart verdientes Geld auf möglichst dekadente Weise ausgeben können.
Der Artikel ist so voller Anbiederung an Apple und ihren Chefdesigner, das es nur schwer zu ertragen ist: „Apple’s Geräte haben sich so nahtlos in unseren Alltag eingewoben – wobei sie Dinge tun, die bis vor kurzem Gegenstand von Science Fiction waren – dass wir sie schon als selbstverständlich erachten“.
Dabei schreckt die Autorin nur knapp davor zurück, Apple explizit als Erfinder der Smartwatch zu bezeichnen. Ive selbst darf sich für diese „Eingebung“ aber ungeniert als Visionär feiern:
„Es ist Technologie, die man am Handgelenk trägt. Ich habe gespürt, dass daran etwas Unvermeidliches ist.“ – Jony Ive
Für dieses untrügliche Gespür für die Technik-Trends, die längst am Laufen sind, wird Ive sogar in eine Reihe mit dem legendären Louis Cartier, Designer der ersten Flieger-Uhr, gestellt.
„Ive ist nichts, wenn nicht pragmatisch, und die Zugänglichkeit des Handgelenks sieht für ihn so richtig aus wie vor mehr als einem Jahrhundert für Louis Cartier, als der eine Armbanduhr für den Flieger und Belle-Époque Dandy Alberto Santos-Dumont entwickelte, damit er sein Flugzeug steuern konnte, ohne in seiner Hosentasche nach seiner Uhr fischen zu müssen.“
Dass man Smartwatches, die genau das Selbe können wie die Apple Watch, schon seit Jahren kaufen kann, scheint den Masturbationszirkel aus Jony Ive, dem Interviewer Nick Foulkes und der Autorin Dorothy Hong nicht weiter zu stören. Wie üblich in der Apple-Blase, kommt die Konkurrenz nur als Beispiel vor, wie man es falsch macht:
„Im Silicon Valley Kontext, sagen wir mal jenem der eingestellten Google Glass, setzt Apple auf einen anderen Teil des menschlichen Körpers, an dem man tragbare Technologie befestigen kann.“
Hat Google außer der Glass nicht auch sowas wie Android Wear, das schon seit über einem Jahr auf verschiedensten Smartwatches von Motorola, LG, Samsung und Co. läuft? Who cares!
Und das ist nur der Anfang der Realitätsverdrängung. Aus einer Randbemerkung (die nur nur in Klammern steht, aber immerhin) geht hervor, dass der Interviewer auch mal eine kritische Frage gestellt hat. Warum man denn das iPhone’s so häufig wieder aufladen muss. Könnte man das nicht etwa als Design-Fehler betrachten? Aber nein, Ive hat seine eigene Erklärung: das iPhone ist so leicht und dünn und toll, das man es einfach häufiger benutzt. Nur deshalb geht der Akku so schnell leer.
Aber auch damit ist der Gipfel des Bullshit-Mountain noch nicht erreicht. Die Krönung ist nämlich der folgende Satz, über den ein Teil der Netzgemeinde schon seit ein paar Tagen spottet:
Ive explains how the molecules in Apple gold are closer together, making it twice as hard as standard gold.
Auf Deutsch:
Ive erklärt, dass die Moleküle in Apple Gold näher beeinander sind, dadurch ist es doppelt so hart wie Standard Gold.
Ive selbst ist nur noch lächerlich und es würde mich nicht wundern, wenn er ernsthaft glaubt, das Gold für die rund 5000 Dollar teure Luxus-Variante der Apple Watch kommt aus einem Topf am Ende des Regenbogens kommt und wird von Sauron persönlich im Feuer des Schicksalsberges von Mordor geschmiedet wird.
Seltsamerweise erschreckt mich aber immernoch das Fehlen jeglicher Ironie oder Distanzierung von Seiten der „Journalisten“, so als würden sie tatsächlich nicht wissen, dass „Apple-Gold“ ungefähr so real (und mindestens so harrdcore) ist wie Kryptonit, Tiberium und Unobtanium.
Gold ist ein chemisches Element, dessen Dichte von Luftdruck und Temperatur abhängen kann, aber sicherlich nicht davon, ob es von Apple oder von jemand anderem kommt. Man kann Gold bzw. Gold-Legierungen zwar durch thermisches Härten oder durch die Beimischung anderer Metalle widerstandsfähiger machen, aber das ist eine seit Jahrhunderten gängige Praxis. Apple ist seit letztem Dienstag in der Schmuckindustrie und hat dort scheinbar auch schon alles erfunden, was es gibt.
Man wird ja oft als „Neider“ oder „Hater“ beschimpft, wenn man Apple Sektenähnliche Züge attestiert. Aber dieser Realitätsverlust zu Gunsten einer eigenen Wahrheit, gepaart mit einer grotesken Selbstüberhöhung sind durchaus Merkmale eines Kultes. Schön zusammengefasst wird das ganze in folgendem Zitat des neuen Apple Guru’s:
„Das ist schwer zu erklären und könnte leicht missverstanden werden, aber wir haben das Gefühl, dass wir unseren Mitmenschen fast schon einen Dienst erweisen. Viele Leute mögen nicht in der Lage sein in Worte zu fassen, warum ihnen etwas wichtig ist, oder warum sie eine Sache der anderen vorziehen, aber ich glaube wirklich, dass die meisten Menschen sehr urteilsfähig sind.“ – Jony Ive
In dieser Aussage steckt fast alles drin: der missionarische Eifer, das Gefühl der moralischen Überlegenheit, die Unterteilung der Menschen in solche, die „urteilsfähig“ sind und Apple bevorzugen und den Rest, der im Umkehrschluss nicht urteilsfähig ist.
Und es ist eine fast schon explizite Absage an Rationalität und Objektivität: Apple’s Überlegenheit kann man nicht begründen, oder in Worte fassen. Man muss sie fühlen. Und wenn Jony Ive sagt, dass die Atome in Apple Gold näher beieinander liegen, dann wird der brave Apple Jünger schon „fühlen“, dass das richtig ist.
Fast schon bedrohlich klingt da der letzte Satz des Artikels: „Wenn es nur mehr Fanatiker gäbe, wie Jony Ive!“
Dies ist ein Leitartikel. Die Meinung des Autors spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung von WindowsUnited wieder.
Quelle: How to spend it
lol. So genial geschrieben. Made my day. Danke dafür. 😀
Noch besser war die Aussage von Tim Cook bei der Präsentation der Watch. Wenn man genau hinhört, erklärt er, dass man durch tägliches Sitzen und wenig Bewegung „Krebs“ bekommen kann und dass die Apple Watch dafür sorgt, dass man keinen Krebs bekommt. Makaber finde ich diese Aussage gerade in Verbindung mit dem Krebstod von Steve Jobs… Apple hat uns mit dem Iphone und dem Ipod damals, 2007, vielleicht auch noch in den darauffolgenden Jahren einen Dienst erwiesen. Denn sie sorgten dafür, dass Touchscreens alltäglich werden. Es war aber keineswegs so, dass Apple den Touchscreen und die Technik(en) erfunden hat. Sie… Weiterlesen »
Warum kommt denn der Rant erst heute?
Ihr könnt reden, wie Ihr wollt, aber der Erfolg gibt Apple nunmal recht und es mag ja sein, dass es Android Wear bereits seit über einem Jahr gibt, aber die Apple Watch wird dem Markt erneut einen Arschtritt versetzen und zumindest vorerst das Maß aller Dinge in dieser doch noch recht jungen Produktkategorie sein. Ob man das jetzt gut heisst oder eben nicht. Nur die befürchteten extrem hohen Preise könnten den Erfolg der Apple Watch dann doch noch gefährden. Und nein, ich meine nicht die goldene Apple Watch Edition, sondern die Apple Watch aus Edelstahl. Die Sport soll ja erst… Weiterlesen »
Ist sehr einfach gesagt „der Erfolg gibt Apple recht“. Hier spielen die Medien eine sehr starke Rolle. Apple schickt keinem Blog, Betreiber einer Website oder Firma mehr Produkte, wenn man sich kritisch dagegen äussert. Und das Beispiel, das Tom oben schreibt, habe ich auch schon mehrfach miterlebt (Bei Apple ist alles top, bei der Konkurrenz ein Flop). Der Preis für die Uhr ist das Eine, doch die Laufzeit von 5 Stunden ist das Andere. Das ist viel zu wenig! Was ist das Innovativste an der Uhr? Ein Rädchen, das man als Bedienelement gebrauchen kann? Oder der Touchscreen (den man schon… Weiterlesen »
Man muss sich nur fragen, worin der Erfolg begründet ist. Die Zeiten, in denen Apple durch Innovation zu überzeugen wusste – iPhone, iPod – sind lange vorbei. iOS stagniert, ist von der UI Meilen hinter der Konkurrenz zurück. Nur die Die-Hard Fanbase bleibt Apple treu.
Die iWatch ist was ihre Features anbelangt auch nicht gerade State of the Art und so manchem Konkurrenzprodukt unterlegen. Aber Apple weiß sich gut zu vermarkten.
Dieser Kommentar spricht mir aus der Seele. Danke
Sehr guter Artiikel, auch der Vergleich. Ich kenne auch Ami’s, welche ihre Fähigkeiten maßlos überschätzen. Aber das ist überm Teich „normal“. Ohne. Übertreibung biste nix. Yes we can, i think – it is . Aber es kommt hoffentlich: Gott sprach: Es werde Licht – doch Apple fand den Schalter nicht.
Hahaha, klasse Artikel! Das mit dem Masturbationszirkel fand ich doch wohl am besten. Ich kenne einige Leute die auf Iphones schwören, die mir andauernd erzählen wie gut und fortschrittlich die Geräte sind. Leider ist keiner von den besagten Lobpreisern in der Lage mir darzulegen inwiefern das so ist. Nicht einer von denen hat ansatzweise eine Ahnung welche Technik in den Geräten verbaut ist. Trotzdem muß ich mir von Ihnen permanent anhören das Android nichts taugt und doch wohl eher was für die Masse ist!!!! Der Apple Hype hat schon fast etwas religöses an sich. Wenn man ehrlich ist muß man… Weiterlesen »
Der einzige grund warum Apple so viel erfolg hat ist das es nach wie vor Leute gibt die keine ahnung haben was siebda kaufen und wenn der nette Onkel da auf der bühne sagt das ist toll dann kauf ich das auch. Wie es gibt Geräte die mehr können und auch billiger sind vom Preiss? Kann nicht sein Apple ist Gott. Will nichtbwissen wieviele Apple besitzer auch ne PS 4 zu hause stehen haben.
Das liegt wohl an den Keramikpartikeln, die sie unters Gold gemischt haben. Jetzt ist die Uhr härter aber auch weitaus weniger „goldig“ als versprochen. 😉
„18 Karat? Von wegen! So trickst Apple bei seiner Gold-Uhr“
Quelle:
http://www.focus.de/finanzen/news/unternehmen/apple-watch-auf-dem-pruefstand-18-karat-von-wegen-so-trickst-apple-bei-seiner-gold-watch_id_4534853.html
Danke für den guten Artikel!
Dies trifft leider den Kern der Sache und unsere Gesellschaft insbesondere.
Wie armselig ist es doch, wenn dass persönliche Selbstwertgefühl vieler Menschen so weit im Keller ist, dass derartiges Geschwafel eines „Managers“ (mehr sehe ich nicht in dem Mann) wie eine Gurupredigt aufgesogen wird.
Intuitiv fällt mir dazu der Begriff „Sekte“ ein….
Langsam! Zwar feier ich den Artikel, aber ives ist als Designer ein Tier. Einer der besten.
Und es gibt Dinge, die macht apple wohl sehr gut. Ein freund hat ein 8 Jahre altes MacBook, das heute noch einwandfrei läuft. Ich habe zeitgleich für 1000€ Ein Samsung Laptop gekauft, der sei 4 Jahren und einer Reparatur nichtmehr geht. Ich hoffe, dass mein Surface pro3 hält (fantastisches gerät).
Und die geringe Audiolatenz in iOS hat meinen wechsel zu wp8 ein Jahr hinaus gezögert. Gute Musikanwendungen gibt es leider nur für iOS
Zu geiler Artikel.
Die Krönung ist aber diese Seite: apfelpage.de
Jedes einzelne Kommentar dort trieft nur so vor Arroganz, Hochnäsigkeit und Dekadenz. Dort treiben sich übrigens auch die Trolle des Internetzes rum, die keine Ahnung von Technik haben. Na klar, Apfelage hat einige gute Artikel und hat eine Daseinsberechtigung. Aber ein Grund der mich bei WP fasziniert: Die Community. Und die ist bei Apple, wie ja schon in einem Artikel her erwähnt, Meh. Aber eines kann Apple: Die Marke vermartkten. Es ist kein schlechtes Unternehmen.